Cult_Euro_1-Test für Interkulturelle Kompetenz
Stand der Forschung
Internationaler Stand der Forschung
In der wissenschaftlichen Fachliteratur weist die Beschreibung des Konstruktes Interkulturelle Kompetenz eine enorme Heterogenität und Fachspezifität auf (Deardoff, 2006). Es gibt bis jetzt kein allgemein gültiges und theoretisch fundiertes Gesamtmodell, dessen Funktionalität in der Praxis empirisch belegt wurde (Bolten, 2008; Straub, 2007; Dinges & Baldwin, 1996; Deardorff, 2004; Vegh & Luu, 2019). Einer der Hauptgründe hierfür ist die bisherige Entwicklung von eher eindimensional determinierten Modellen, die aufgrund ihrer fehlenden Trennschärfe zwischen den einzelnen Strukturebenen kritisiert werden (Genkova, 2019).
In der US-amerikanischen Forschung wird Interkulturelle Kompetenz als fächerübergreifende Kompetenz verstanden, die in allen interkulturellen Situationen wirksam ist (Deardorff, 2006). Interkulturelle Kompetenz wird als eine kulturallgemeine Kompetenz interpretiert (Deardorff, 2006; Abbe et al., 2007).
Die Messung Interkultureller Kompetenz durch Selbstauskunft ist die am häufigsten genutzte Methode der wissenschaftlichen Praxis. Diese Antworten lassen eher Schlüsse zu dem selbst erlebten, subjektiven Grad der eigenen Interkulturellen Kompetenz zu, welcher unter Umständen durch sozial erwünschtes Antwortverhalten verfälscht wird, was zu einer Verminderung der prädiktiven Validität führt (vgl. Leung et al., 2014; Lustig & Koester, 2012; Engel et al., 2019).
Bezüglich der informations- und leistungsbasierten Messung von Interkultureller Kompetenz führen Sälzer und Roczen (2018) aus, dass diese Methode, die am wenigsten gebräuchlichste der wissenschaftlichen Praxis ist. Im Zuge der informationsbasierten Methode, wird die interkulturellen Kompetenz einer Person über externe Verhaltensbeobachtungen erhoben und beurteilt. Leistungsbasierte Messungen hingegen erfassen den Grad der Interkulturellen Kompetenz über standardisierte Testverfahren. Hier ergeben sich Probleme hinsichtlich der psychometrischen Eigenschaften dieser Tests und der validierten Messungsäquivalenz über verschiedene kulturelle Räume hinweg. Sälzer und Roczen (2018) fordern dementsprechend generell eine häufigere Verwendung multimethodaler Ansätze. Sie weisen zusammenfassend auf die Problematik hin, dass viele verwendete Skalen den Leistungsbezug, aber weniger die wirkliche Interkulturelle Kompetenz einer Person messen.
Für die Erstellung des Überblicks identifizierte Matveev (2017) die verfügbaren Testverfahren der aktuellen Literatur und verglich diese u. a. anhand der oben dargestellten Aspekte. Zusammenfassend wies jedes der untersuchten Verfahren methodische Mängel auf. Zwar untersuchten die beschriebenen Verfahren interkulturelle Kompetenz durchaus reliabel, allerdings jeweils nur einen Aspekt mit einer spezifischen Methode, sodass von Konstruktvalidität nicht die Rede sein kann. Daher bedarf es hier weiterer Forschung und der Entwicklung verlässlicherer Erhebungsmethoden (Matveev, 2017).
Internationaler Stand der Praxis
Der internationale Stand der Vermittlung und Förderung Interkultureller Kompetenzen in der Praxis lässt sich anhand der drei Sektoren Bildung, Wirtschaft und öffentliche Verwaltung abbilden. Für alle Bereiche gilt, dass die Praxis der Messung und Vermittlung Interkultureller Kompetenzen viele Defizite aufweist.
Prinzipiell lassen sich in allen Anwendungsbereichen gravierende Defizite bei der Messung und Förderung Interkultureller Kompetenz feststellen. Häufig kommt es zum Einsatz unseriöser oder nicht valider Verfahren, die unreflektiert auf Bereiche übertragen werden, für die sie nicht konzipiert wurden. Dies ist in der deutschen Wirtschaft häufig der Fall. Anstatt forschungsbasierte Verfahren zu nutzen und die diagnostische Qualität der Verfahren heranzuziehen, werden Verfahren genutzt, die auf dem Markt weit verbreitet sind und sinnvoll wirken. So werden in der Wirtschaft am häufigsten Verfahren eingesetzt, die in der Forschung als überholt und wenig aussagekräftig gelten.
So beschreibt Franken (2019) ein zunehmendes Verständnis von Diversity und vor allem auch kultureller Vielfalt als notwendigen Erfolgsfaktor in deutschen Wirtschaftsunternehmen. Von den 30 DAX-Unternehmen haben 26 einen Diversity-Beauftragten, was allgemein als positiv zu verbuchen ist (Charta der Vielfalt & Ernst & Young GmbH, 2016). Der Großteil der Betriebe fördert die Integration der Migranten und Migrantinnen aktiv durch Maßnahmen wie berufliche Weiterbildung, berufsspezifische Sprachförderung und einem speziellen Ansprechpartner im Unternehmen, jedoch nicht durch die Förderung Interkultureller Kompetenz (Franken, 2019).
Durch den hohen Bedarf auf der einen Seite und fehlenden validen Instrumenten auf der anderen Seite, wird es unseriösen Anbietern leichtgemacht, ihre Produkte zu vermarkten. Oft wird statt Interkultureller Kompetenz nur landeskundliches kulturspezifisches Wissen vorgestellt. Dieser Wissenserwerb bei Trainingsmaßnahmen führt jedoch nicht zu einem kritischen Hinterfragen der Denk- und Verhaltensmuster in Bezug auf die eigene oder fremde Kultur, wobei aber gerade Perspektivenwechsel und Empathie Interkulturelle Kompetenz auszeichnen.
Verschiedene Beratungen bieten Seminare und Workshops zur Förderung der Interkulturellen Kompetenz und des Global Mindsets an, die von Organisationen genutzt werden. Häufig ist jedoch nicht nachzuvollziehen, ob und auf welchen wissenschaftlich fundierten Modellen die Trainings beruhen.
Das Ziel, Interkulturelle Kompetenzen zu fördern, wird in vielen Bereichen verfolgt. Allerdings kommt es meistens zu einem unreflektierten Einsatz der bestehenden Instrumente ohne Evaluation über ihre tatsächliche Wirklichkeit. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass es zwar an Messinstrumenten und Verfahren im Bereich der Interkulturellen Kompetenz nicht mangelt, diese jedoch keine ausreichenden Gütekriterien aufweisen. Zudem ist der Begriff „Interkultureller Trainer“ nicht geschützt, sodass in der Praxis oft unwissenschaftlich basierte Methoden angewendet werden. Zudem ist eine Überprüfung, inwiefern gerade von Beratungsunternehmen eingesetzte Methoden zuverlässig sind, aufgrund nichtzugänglicher Daten so gut wie unmöglich. Zudem werden Ergebnisse aus einer Kultur ohne kritisches Hinterfragen auf eine andere Kultur übertragen. Es mangelt an evidenzbasierten Ergebnissen und sehr oft wird Plausibilität, was in diesem Falle eine kulturbezogene Plausibilität aus der Perspektive der eigenen „Kulturbrille“ ist, als Evidenz ausgegeben.