Team BMi1
Ein Modellversuch
Diese Seite berichtet über ein im Wintersemester 2008/2009 an der Fachhochschule Osnabrück durchgeführtes Projekt, welches die Ursachen von hohen Abbrecherquoten und subjektiv empfundenem Stress bei Studierenden im Studiengang Medieninformatik mit einer Erstsemestergruppe untersuchte. Ziel des Projektes war in erster Linie, die Kommunikation zwischen Dozenten und Studierenden zu fördern. Das Projektteam sah darin die einzige Möglichkeit, die ursächlichen Hintergründe, seien es curriculare, organisatorische oder eher individuell empfundene Auslöser, herauszufinden. Die Grundlage des Projektes war somit transparente Kommunikation sowie fächerübergreifende Kooperation zwischen Dozenten und Studierenden. Wichtigste Voraussetzung für alle Maßnahmen war dabei die Offenheit und Kooperationsbereitschaft der beteiligten Dozenten gegenüber der Idee, der Methodik, den Studierenden und einer geplanten Vertrauensperson.
Das Projekt bot weiterhin die Möglichkeit, demografische Daten, die bislang unbekannt und für das Projekt unter Umständen relevant waren, zu erheben. Weitere, mittelfristige Ziele waren die pädagogisch-didaktische Verbesserung der Lehre, Förderung der studentischen Selbstorganisation und letztendlich Qualitätssicherung des noch relativ neuen Studiengangs.
Vor Semesterbeginn wurden unterschiedliche Maßnahmen geplant, wobei regelmäßige Feedbackgespräche und Umfragen begleitend eingesetzt werden sollten, um eine formative Evaluation durchzuführen. Dies bedeutete für die Praxis, dass die jeweiligen Evaluationsergebnisse sofort in die Optimierung der weiteren Semesterplanung einfließen sollten. Entstanden ist ein Konzept, das ganzheitliche Lehransätze, Mentoring, Social Online Networking und Online Assessment integriert.
Die Abbildung zeigt den zeitlichen Ablauf der einzelnen Maßnahmen im Laufe des Semesters (Die orangenen Zahlenblöcke "1-11" sind Teamtermine. Die grünen Zahlenblöcke "E1-4" stellen die Evaluationsmaßnahmen dar. Genauere Informationen sind unter den jeweiligen Menüpunkten zu finden):
Das erste Semester im Studiengang der Medieninformatik befasst sich mit den technischen und gestalterischen Grundlagen. Es besteht aus den Veranstaltungen "Grundlagen der Mathematik" (im Rahmen des Projektes gelesen von Jürgen Kampmann), "Grundlagen der Informatik" (im Rahmen des Projektes gelesen von Karsten Morisse), "Akustik und Optik" (im Rahmen des Projektes gelesen von Arno Ruckelshausen) und "Grundlagen der Mediengestaltung" (im Rahmen des Projektes gelesen von Michaela Ramm).
Bis auf die Veranstaltung Grundlagen der Mediengestaltung wird viel technisches und mathematisches Wissen vermittelt. Wegen dieses mathematisch-technischen Schwerpunktes der Lehrinhalte ist ein Teil der Studierenden, die sich im Vorfeld ein Studium der Medieninformatik „medialer“ vorgestellt hatten, regelmäßig enttäuscht oder sogar frustriert. Für alle Studienanfänger, besonders wenn sie in ihrer bisherigen Ausbildung keinen mathematisch-technischen Schwerpunkt hatten, ist das erste Semester daher durchaus anspruchsvoll und fordert ein hohes Maß an Selbstlernkompetenz.
Vor Semesterbeginn setzte sich das Team mehrmals mit dem Ziel zusammen, die Inhalte der Veranstaltungen aufeinander abzustimmen. Die Grundidee für die gemeinsame Analyse der Lehrinhalte war, eine Art ganzheitlichen, fächerübergreifenden Lehransatz zu finden. Konkret sollten die Zusammenhänge der Fächer sowie der Sinn und Zweck der Lehrinhalte (vor allem der mathematisch-technischen Inhalte) den Studierenden schon im ersten Semester verdeutlicht werden. Darüber hinaus wurde versucht, die Fächer sowohl in Hinblick auf verwandte Vorlesungsthemen als auch auf die jeweilige Arbeitsbelastung in den Praktika besser aufeinander abzustimmen.
Im optimalen Fall sollten fächerübergreifende Praktikumsaufgaben entwickelt werden – mit dem Effekt, die Gesamt-Arbeitsbelastung zu reduzieren. Partiell konnte dieses Ziel tatsächlich realisiert werden: In einer Zwischenbefragung in der Mitte des Semesters wurde die Frage "Ich erkenne das Zusammenspiel der Themen in den Fächern... " besonders positiv bei den Fächern "Grundlagen der Mathematik" und "Grundlagen der Informatik" beantwortet. Auch in den anderen Fächern wurden immer wieder Teil-Zusammenhänge erkannt.
Frühere Untersuchungen mit Studierenden im Studiengang Medieninformatik hatten erwiesen, dass die Möglichkeit einer freiwilligen Wissensüberprüfung mit einer Art "Belohnung" eine sinnvolle Methode darstellt, um Studierende im kontinuierlichen Lernen zu fördern. Deshalb wurde für die Klausurfächer "Grundlagen der Mathematik", "Grundlagen der Programmierung" und "Akustik und Optik" ein Bonussystem in der Form eingeführt, dass die Studierenden regelmäßige Online-Tests auf freiwilliger Basis, zeitlich flexibel und ortsungebunden absolvieren konnten. Die erworbenen Punkte wurden zu den Punkten in der Klausur am Ende des Semesters gezählt.
Neben der Förderung des kontinuierlichen Lernens sollte mit dieser Maßnahme außerdem der Weg zum Klausurantritt geebnet werden. Denn da im Bachelorprogramm alle Noten ab dem ersten Semester in die Endnote einfließen, schienen Studierende, die sich nicht optimal vorbereitet hatten, den Klausurantritt oftmals eher zurückzustellen als das Risiko einer schlechten Note einzugehen. Dieses Verhalten führt jedoch dazu, dass die Aussicht auf das Absolvieren des Studiums in der Regelstudienzeit schon am Ende des ersten Semesters fraglich wird. Das geplante Bonussystem sollte den Studierenden die Angst vor dem Klausurantritt nehmen oder die Angst zumindest verringern, indem sie sich einer regelmäßigen Wissensüberprüfung mit direktem Feedback zu ihrem Wissenstand stellen - sich somit optimal vorbereiten – und am Ende des Semesters schon einen Punktegrundstock für die Klausur haben.
Während des sechsten Teamtermins wurde das Bonussystem von den Studierenden mit dem Hinweis darauf, dass es sie zu kontinuierlichem Lernen "zwingen" würde, explizit als positiv bewertet. Von Dozentenseite mußte jedoch immer wieder auf die Freiwilligkeit des Systems hingewiesen werden. Ansonsten bestamd die Gefahr, dass das System als weitere "Pflicht" missverstanden wurde und potentiell zu einem zusätzlichen Stressfaktor wurde.
Um eine effektive und von Hierarchien losgelöste Kommunikation zwischen Studierenden und Dozenten zu ermöglichen wurde für die zu untersuchende Erstsemestergruppe gezielt eine bestimmte Vertrauensperson benannt. Diese Person (Svenja Wichelhaus) arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Medienlabor und hat vor wenigen Semestern den Diplom-Studiengang Medieninformatik der Fachhochschule Osnabrück absolviert. Sie brachte also potentiell - sowohl hinsichtlich ihrer Ausbildung als auch ihrer Studienerfahrung - die notwendigen Voraussetzungen für die Akzeptanz beider Seiten – von Studenten und Dozenten - mit.
Neben der Kommunikationsförderung und Vermittlerrolle übernahm die Vertrauensperson vielfältige Aufgaben rund um das Gesamtprojekt, z.B. Beratung der Dozenten, Planung von Terminen und Evaluationstätigkeiten (Entwicklung und Auswertung von Umfragen, Feedbackgesprächen, Forumsbeiträgen und Interviews). Für alle weiteren Maßnahmen hatte die Vertrauensperson eine zentrale Bedeutung.
Von studentischer Seite wurde der Kontakt zur Vertrauensperson häufig und aktiv in Anspruch genommen. Sie beantwortete regelmäßig Fragen bei allgemeinen Unklarheiten, beispielsweise Fragen zur Organisation des Studiums oder spezielle Fragen betreffend der Veranstaltungen. Viele Dinge konnten auch über eine von den Studierenden gegründete StudiVZ-Gruppe geklärt werden, zu der die Vertrauensperson nach dem ersten Teamtermin nur mit ihr und den Studierenden zugelassen wurde. Diese Gruppe wurde von den Studierenden sehr regelmäßig genutzt (beispielsweise wurden Übungsblätter aus den Tutorien diskutiert, Lerngruppen organisiert, Arbeitsgruppen für die Praktika verschiedener Veranstaltungen zusammengestellt oder Informationen zu Prüfungsanmeldungen besprochen). In diese Gruppe hat die Vertrauensperson jedoch nur Nachrichten gestellt, wenn falsche Informationen im Umlauf waren.
In der Abschlussbefragung wurde die Rolle der Vertrauensperson als besonders wichtig bewertet. Die Frage "Hältst du die Weiterführung vom TeamTermin & von einem zentralen Ansprechpartner für sinnvoll?" hat die Mehrheit der Studierenden befürwortet.
Die projektbegleitende Evaluation wurde von der Vertrauensperson durchgeführt. Dabei wurden verschiedene Evaluationsmethoden je nach Bedarf formativ durchgeführt. Zur Erhebung der Daten dienten vor allem qualitative Methoden (offene Befragungen in schriftlicher Form, Einzelinterviews, Beobachtungen sowie Gruppendiskussionen), aber auch quantitative Methoden. In den Teamterminen und über StudiVZ wurden Gruppendiskussionen durchgeführt.
Für das Gesamtprojekt war wichtig, dass die Ergebnisse der Umfragen immer sofort für alle veröffentlicht wurden. Somit konnten insbesondere die Studierenden die Abstimmungen und Wertungen ihrer Kommilitonen einsehen und erkannten die Möglichkeit, organisatorisch und inhaltlich Einfluß nehmen und etwas verändern zu können.
Evaluation 1
Um allgemeine Informationen über die Studierendengruppe zu erhalten startete das Projekt am Anfang des Semesters mit einem Fragebogen. Dabei wurden allgemeine demografische Daten (wie z.B. Alter, Geschlecht, Schulabschluss) und mit welchen technischen Mitteln die Studierenden ihr Studium starten (wie z.B. Internet von zu Hause) erhoben. Um einen tieferen Einblick zu bekommen, wurden mehrere offene Fragen, die sich um die Themen "Motivation", "Vorkenntnisse", "Beweggründe zum Studium der Medieninformatik" drehten, gestellt. Auch wurde nach Erfahrungen hinsichtlich dem Lernen mit Medien, dem Lernverhalten und den Freizeitaktivitäten der Erstsemesterstudierenden gefragt. An dieser ersten Befragung haben 57 Studierende (9 weiblich, 48 männlich) teilgenommen. Die Teilnahem an der Umfrage war anonym.
Umfrage: PDF
Ergebnisse: PDF
Evaluation 2
Aus Beobachtungen in dem Fach "Grundlagen der Programmierung" ergab sich, dass nach den ersten vier Wochen des Semesters ein Lego-Workshop für Programmieranfänger mit einer anschließenden anonymen schriftlichen Befragung durchgeführt wurde. Leider war dabei der Rücklauf sehr gering. Von 19 Studierenden haben 4 Studierende an der Befragung teilgenommen.
Umfrage: PDF
Evaluation 3
Nachdem im Teamtermin am 4.11.08 mehrere wichtige Probleme geäußert wurden, jedoch nur 6 Studierende anwesend waren, wurde im Anschluß an den Teamtermin eine anonyme Umfrage gestartet, um die Aussagen der Studierenden zu verifizieren. Von den 57 Studierenden aus dem Erstsemester haben 44 Studierende an der Umfrage teilgenommen.
Umfrage: PDF
Ergebnisse: PDF
Evaluation 4
Zum Abschluss des Projektes wurde eine Abschlussbefragung durchgeführt.
Die Umfrage hatte 42 Teilnehmer und war anonym.
Umfrage: PDF
Ergebnisse: PDF
Klausurergebnisse: PDF
Der gemeinsame Teamtermin (Dienstag, 12 Uhr) wurde vom Dekanat in die Stundenplanung des ersten Semesters aufgenommen. Alle Studierenden und Dozenten hatten den Termin regulär in ihrem Stundenplan als Veranstaltung verzeichnet. Nur so war es möglich, gemeinsame Termine ausserhalb der regulären Veranstaltungen zu organisieren.
Termin 1
Beim ersten Termin am 23.09.08 waren insgesamt 58 Studierende, die Erstsemester-Professoren sowie die Mitarbeiter des Medienlabors, die direkten Kontakt in diesem Semester haben, anwesend. Dozenten und Mitarbeiter stellten sich vor und berichteten kurz zu ihren betreffenden Aufgabenbereichen. Es folgten organisatorische Einführungen, die alle Veranstaltungen betrafen (wie z.B. StudIP, Praktikumsorganisation). Danach wurde das Curriculum der Medieninformatik vorgestellt. Es wurde vor allem der Bezug der Fächer aus dem 1. Semester zu den Fächern aus den höheren Semestern erarbeitet. Die Studierenden wurden einbezogen und gefragt, ob sie eine Vorstellung haben, was in den einzelnen Fächern gelehrt wird. Es folgte eine Präsentation einer Anwendung auf dem iPhone. Die Studierenden sollten überlegen welche Fächer im Studium wichtig sind, um eine derartige Anwendung zu entwickeln. Auf diese Weise wurde den Studierenden vor allem die Wichtigkeit der nicht so beliebten bzw. zeitaufwendigsten Fächer dargestellt, welche gerade im ersten Semester vorkommen. Das Team wollte bewirken, dass die Studierenden sich im Laufe des ersten Semesters an diesen Teamtermin erinnern, damit sie in schwierigen Phasen motiviert bleiben.
Termin 2
Nach den ersten Praktika in Grundlagen der Informatik wurde festgestellt, dass viele Studierende Probleme mit der Programmierung haben und sie diese auch äußerten. Auf Grund dieser Feststellung wurde am 14.10.08 im Rahmen eines Teamtermins ein Lego-Workshop angeboten, an dem 19 Studierende teilnahmen. Anschließend folgte eine Befragung am 30.10.08, jedoch war die Teilnahme an dieser Umfrage sehr gering (4 Teilnehmer). Aus den Argumenten der Studierenden ging hervor, dass der Lego-Workshop an sich sehr sinnvoll ist, aber zu einem anderen Zeitpunkt durchgeführt werden sollte, nämlich in der Vorbereitungswoche. Daraufhin fand ein Lego-Workshop in der Vorbereitungswoche im SS2009 statt. Diese Teilnehmer wurden am Ende des Semesters befragt. Die Ergebnisse dazu sind in Bearbeitung.
Termin 3
Der Teamtermin am 21.10.08 wurde von der Mathematik dazu genutzt, außerhalb der Veranstaltung Grundlagen der Mathematik einen Exkurs zum Thema "Grundidee zu Google Page-Ranking" zu veranstalten. Die Veranstaltung war gut besucht und kam bei den Studierenden sehr gut an.
Termin 4
Der Termin am 4.11.08 diente dazu, Feedback einzuholen. Dies war nach Semesterbeginn der erste Termin, der nur mit der Vertrauensperson und den Studierenden stattfand. Das Ziel war, in Erfahung zu bringen, wie es den Studierenden in den ersten Wochen ergangen ist und ob Probleme entstanden sind. Die Studierenden benannten einige konkrete Probleme. Da leider nur 6 Studierende anwesend waren wurden zu genannten Problemen im Anschluß an den Teamtermin eine Umfrage in StudIP gestartet (siehe Evaluation). Nach einer allgemeinen Email an alle Studierende mit der Aufforderung, an der Umfrage unter StudIP teilzunehmen, bekam die Vertrauensperson das Feedback, dass die geringe Teilnahme auf allgemeine Zeitnot zurückzuführen sei. Den Studierenden wurde nahegelegt, dass sie Veränderungen bewirken können, jedoch nur durch aktive Teilnahme an der Diskussion. Zudem hatten die Studierenden zu Semesterbeginn in StudiVZ eine Gruppe gegründet, in der die Probleme in den einzelnen Fächern diskutiert wurden. In diese Gruppe wurde die Vertrauensperson mit allen Schreib- und Leserechten zugelassen.
Termin 5
Am 27.11.08 fand ein Treffen außerhalb der Fachhochschule statt. Der Termin wurde über die Gruppe in StudiVZ abgestimmt und es waren ca. 10 Studierende, 3 Tutoren, die Vertrauensperson sowie ein Mitarbeiter des Medienlabors anwesend. Es konnte in Erfahrung gebracht werden, dass es Aha-Momente in den einzelnen Vorlesungen gab und die Zusammenhänge der Fächer deutlich wurden. In Grundlagen der Mathematik sei der Zeitaufwand und der Umfang sehr hoch. Die Studierenden hatten erkannt, dass sich die Professoren bemühen und sich über Inhalte in den aktuellen Vorlesungen erkundigen.
Termin 6
Beim Teamtermin am 9.12.08 mit der Vertrauensperson waren 21 Studierende anwesend. Es wurde konstruktiv über den allgemeinen Workload und über Lösungen hinsichtlich der akuten Überlastung diskutiert. Das Bonussystem wurde von den Studierenden explizit positiv bewertet, da man „gezwungen“ wird, sich kontinuierlich mit den Inhalten zu beschäftigen. "Aha-Momente" hinsichtlich der Zusammenhänge zwischen den Fächern wurden vermehrt wahrgenommen. Ein zusätzliches Tutotium für Grundlagen der Programmierung wurde als hilfreich und wünschenswert erachtet. Insgesamt war zu beobachten, dass die Studierenden sich zunehmend bewußt mit ihrem Arbeits- und Lernverhalten beschäftigen.
Prof. Michaela Ramm, M.A.
Medieninformatik / Mediengestaltung
Fakultät Ingenieurwissenschaften und Informatik
Albrechtstr. 30
49076 Osnabrück
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E-mail: m.ramm@hs-osnabrueck.de
Tel.: 0541 969 2130