Job Mining

Zielsetzung

Seitdem in den 90er Jahren die ersten Stellenbörsen im Internet entstanden sind, haben sich internetbasierte Jobportale als Standardwerkzeuge zur Unterstützung von Rekrutierungsprozessen für Fach- und Führungskräfte etabliert. Dabei liefern Jobportale in Form der publizierten Stellenanzeigen eine interessante Datenquelle, die die aktuelle Nachfragesituation auf dem Arbeitsmarkt dokumentiert. Durch Analyse dieser Stellenanzeigen mithilfe von Methoden des Text Mining können Aussagen über die Qualifikationsanforderungen von ausschreibenden Institutionen an Bewerber gewonnen werden, sodass aktuelle, arbeitsmarktrelevante Kompetenzen und Berufsbilder transparent werden.

Dieses Informationsangebot kann in unterschiedlichen Anwendungsfeldern und Institutionen genutzt werden:

  • Unterstützung der betrieblichen Personalentwicklung (HR-Development) und des Kompetenzmanagements (Skill-Management) durch Analyse marktrelevanter Kompetenzen für etablierte Berufsbilder.
  • Früherkennung und Trend Scouting neuer Berufsbilder, insbesondere im Umfeld emergierender Informationstechnologien wie z. B. Big Data, Data Science, Mobile Computing, Internet der Dinge und Cyber Security.
  • Analyse der arbeitsmarktbezogenen Nachfrage einzelner Regionen, Sektoren, Branchen oder marktbegleitender Unternehmen (Competitive Intelligence).
  • Unterstützung der Produktentwicklung für Aus- und Weiterbildungsangebote bei Institutionen des Bildungssektors.

Zur Erschließung dieser Potenziale wird das Konzept des Job Mining umgesetzt, das die Sammlung und Analyse von Stellenanzeigen aus öffentlichen oder unternehmensspezifischen Jobportalen zum Gegenstand hat.

Job Mining-Prozess

Phasen des Job Mining-Prozesses

Der analytische Prozess des Job Mining wird in der oben stehenden Abbildung im Überblick dargestellt.

Ausgangspunkt für den Job Mining-Prozess bilden öffentliche oder unternehmensspezifische Jobportale als Datenquellen. Im Umfeld der öffentlichen Jobportale haben sich neben generellen Jobportalen (z. B. StepStone, JobWare, Arbeitsagentur) mittlerweile auch spezialisierte Portale etablieren können. Diese zielen auf Fach- und Führungskräfte bestimmter Branchen oder Sektoren, wie etwa für naturwissenschaftliche, medizinische und technische Berufsfelder (z. B. Jobvector, Experteer). Unternehmensspezifische Jobportale werden von Unternehmen zur Ausschreibung des eigenen Personalbedarfs eingesetzt. Sämtliche DAX30-Unternehmen betreiben eigene Jobportale, die nahezu regelmäßig in die Unternehmenswebsite integriert sind.

Die Aufgabe der ersten Phase (Extraktion) des Job Mining-Prozesses besteht darin, ein Monitoring der analyserelevanten Jobportale durchzuführen und neue Stellenanzeigen in Form eines lokalen Datenbestands verfügbar zu machen. Zu diesem Zweck sind Web Crawler einzusetzen, die eine periodische Suche nach relevanten Inhalten in definierten Online-Quellen (z. B. Blogs, Foren, Portalen) gestatten.

Die extrahierten Stellenanzeigen werden in einem weiteren Schritt bereinigt. Auf der syntaktischen Ebene ist z. B. dafür zu sorgen, dass sämtliche Attribute einheitlich codiert sind und keine Anweisungen (z. B. HTML, Javascript) enthalten, während aus inhaltlicher Perspektive sicherzustellen ist, dass keine fehlenden Werte für analyserelevante Felder auftreten (Missing Values). 

Durch die skizzierten Operationen entsteht zunächst ein Rohdatenbestand mit Stellenanzeigen. Aus dieser Textkollektion können Stellenanzeigen für analytische Zwecke ausgewählt werden. Da Stellenanzeigen überwiegend aus Textdaten bestehen, kommt der linguistischen Vorverarbeitung zentrale Bedeutung zu. Im Zuge dieser Vorverarbeitung erfolgt z. B. das Tokenizing, Stemming und Part-of-Speech-Tagging. Die linguistisch vorbereiteten Stellenanzeigen können dann mithilfe von Textanalysemethoden untersucht werden:

  • Frequenzanalysen ermitteln die Häufigkeit des Auftretens bestimmter Wörter in der Textkollektion oder ausgewählten Subgruppen.
  • Konkordanzanalysen gestatten die Analyse der Wortverwendung im jeweiligen Kontext.
  • Mithilfe von Kookkurenzanalysen kann aufgedeckt werden, welche Wörter mit einer bestimmten Signifikanz gemeinsam auftreten.
  • Die Segmentierung (Clustering) gestattet die explorative Bildung von Subgruppen zur Hypothesengenerierung.
  • Anhand des Beschäftigungsorts kann eine geografische Analyse der Stellenzeigen erfolgen.

Im Folgenden werden exemplarische Forschungsergebnisse aus Job Mining-Projekten vorgestellt, die an der Hochschule Osnabrück durchgeführt worden sind.

Berufsbilder für das IT-Zukunftsthema Big Data

IT-Zukunftsthemen wie Big Data führen zur Entwicklung neuer Berufsbilder, die neue Kompetenzen erfordern. Um die Kompetenzanforderungen im Umfeld des Big Data transparent zu machen, sind n=80.014 Stellenanzeigen aus englischsprachigen Jobportalen zwischen Juni 2014 und April 2015 extrahiert und untersucht worden. Dabei konnte festgestellt werden, dass sich 72 % sämtlicher Stellenanzeigen von IKT-Unternehmen auf folgende fünf Berufsbilder beziehen:

  • Big Data Developer (25 %),
  • Data Scientist (20 %),
  • Big Data Architect (11 %),
  • Data Analyst (9 %) und
  • Data Engineer (7 %).

Für diese Berufsbilder sind Kompetenzprofile generiert worden, aus denen die wichtigsten Qualifikationsthemen für unterschiedliche Kompetenzfelder (Konzepte, Sprachen, Produkte, Soft Skills) hervorgehen. Das Profil für das Berufsbild des Data Scientist wird in der unten stehenden Abbildung detailliert.

Kompetenzprofil für das Berufsbild Data Scientist

Geografische Analyse von Stellenanzeigen für Informatik-Fachkräfte

Zur Analyse des Arbeitsmarkts für Informatik-Fachkräfte sind n=180.260 deutschsprachige Stellenanzeigen (ohne Ausbildungsstellen und Praktika) über den Zeitraum von Juni 2014 bis April 2016 aus mehr als 50 öffentlichen und unternehmensspezifischen Jobportalen selektiert worden. Die unten stehende Grafik visualisiert die geografische Verteilung dieser Stellenanzeigen nach Beschäftigungsort und liefert damit Hinweise auf die regionale Konzentration der Arbeitsmarktnachfrage.

Geografische Verteilung der Vakanzen für Informatik-Fachkräfte nach Beschäftigungsort

Internationaler Arbeitsmarkt für IT-Consultants

Im Rahmen einer explorativen Stellenanzeigenanalyse wurde der Fragestellung nachgegangen, welche Themenschwerpunkte die Arbeitsmarktnachfrage nach IT-Beratern (IT-Consultants) auszeichnet. Zu diesem Zweck sind n=76.872 englischsprachige Stellenanzeigen aus öffentlichen und unternehmensspezifischen Jobportalen ausgewählt worden, deren Stellenbezeichnungen (Job-Title) sich explizit auf Beratungstätigkeiten (*consul*) beziehen.

Die Ergebnisse zeigen, dass ein deutlicher Anteil der Fachkräftenachfrage im Umfeld der IT-Beratung auf konkrete Softwareprodukte der beiden Marken SAP und ORACLE gerichtet ist. So weisen 20,28 % der Stellenanzeigen einen SAP-Bezug auf, während 5,72 % auf Produkte des Herstellers ORACLE verweisen.

Die unten stehende Grafik zeigt, welche konkreten Softwareprodukte bzw. Module der SAP-Softwarelandschaft im Fokus der Arbeitsmarktnachfrage stehen. Dabei wird deutlich, dass 9,64 % der SAP-spezifischen Anzeigen auf das SD-Modul (Sales & Distribution) gerichtet sind, eine ähnliche Bedeutung weist auch das MM-Modul (Materialwirtschaft, Materials Management) auf (9,32 %). Anzumerken ist, dass in Stellenbezeichnungen bisweilen auch Mehrfachnennungen auftreten, wie z. B. SAP SD/MM Consultant, oder auch IT Auditor – Consultancy SAP/ORACLE.

Anteil einzelner SAP-Produkte bei SAP-spezifischen Stellenanzeigen für IT-Berater

Überblick über weitere Job Mining-Studien

An der Hochschule Osnabrück wurden im Rahmen von Praxisprojekten und studentischen Arbeiten weitere Job Mining-Studien realisiert, die die Arbeitsmarktanalyse für spezifische Berufsbilder und emergierende Informationstechnologien zum Gegenstand haben:

  • Explorative Analyse von Skill-Profilen für das Tätigkeitsfeld Cyber Security
  • Analyse des Berufsbilds des Social Media-Professionals (national, international)
  • Das Konzept DevOps im Spiegel des Arbeitsmarkts
  • Analyse deutschsprachiger Stellenanzeigen für IT-Berater
  • Vergleichende Stellenanzeigenanalyse für IT-Jobs in Osnabrück, Münster und Bielefeld
  • Stellenanzeigenanalyse Industrie 4.0 und Internet der Dinge im Bereich Automotive und Infrastruktur
  • Analyse der Kompetenzanforderungen an Personalmanager
  • Vergleichende Stellenanzeigenanalyse für IT-Jobs in Berlin, Hamburg und München

Literatur

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, Hrsg.: Barton, T. et al., Heide 2016, S. 141-150.

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Bensberg, F. (2012),Bildungsbedarfsanalyse auf Grundlage von Stellenanzeigen – Potenziale des Text Mining für das Lern-Service-Engineering, Beitrag zur Multikonferenz Wirtschaftsinformatik (MKWI) 2012, Braunschweig