Elektronische Patientenakte birgt viel Potenzial Freitag, 10. März 2023

Wer in der Pause oder nach der Veranstaltung noch ein persönliches Statement zur ePA abgeben wollte, für den stand das Rote Sofa des Osnabrücker Gesundheitscampus bereit.

Mehr interoperable Daten sind der Schlüssel für eine sinnvolle und gewinnbringende Nutzung. Hochschule Osnabrück thematisiert elektronische Patientenakte auf Symposium.

Die elektronische Patientenakte (ePA) birgt großen Mehrwert für alle Versicherten. Die eine entscheidende Funktion, die ihr zum fulminanten Durchbruch verhilft, besitzt sie aber vermutlich nicht. Zu diesem Schluss kamen die Referierenden und Teilnehmenden des Symposiums „Digitale Kommunikation im Gesundheitswesen – ohne die Bürger*innen geht es nicht“, der Hochschule Osnabrück, der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) sowie des Netzwerks Versorgungskontinuität.

„Wie die Digitalisierungsstrategie des Bundesministeriums für Gesundheit zeigt, liegt ein großer Schwerpunkt auf der elektronischen Patientenakte. Damit diese zu einem Erfolg wird, müssen allerdings noch einige Hausaufgaben gemacht werden: Es müssen insbesondere mehr und eine größere Vielfalt von Inhalten in die Akte gelangen. Dazu müssen Leistungserbringer und Bürger bei der Entwicklung mitgenommen werden“, unterstreicht Prof. Dr. Ursula Hübner, Expertin für Gesundheitsinformatik an der Hochschule Osnabrück.

Von ihr gehört haben viele, genutzt wird sie wenig

Mit der ePA, gibt es einen sicheren Datenspeicherort, in dem Arztbriefe, Pflegeüberleitungsbogen, Schmerz- und Diabetestagebücher abgelegt werden können, um den Informationsaustausch zwischen den Leistungserbringern unter der Datenhoheit der Patienten zu ermöglichen, doch genutzt wird sie bisher kaum. „Das erste Problem liegt darin“, so Lea Brandl von der Universität zu Lübeck, „dass viele zwar schon von der ePA gehört haben, aber nicht wissen, ob sie eine haben“. Laut einer bundesweiten Umfrage der GMDS kennen zwar 92 Prozent der Befragten die ePA, verwenden sie jedoch nicht. „Auch wenn täglich über 200 Personen dazukommen, so sind die Anmeldezahlen insgesamt doch sehr niedrig“, bestätigte Frank Leive von der Techniker Krankenkasse, die 60 Prozent aller Personen mit einer aktiven ePA betreut. Mit dem Opt-out-Verfahren, wie es die Digitalisierungsstrategie vorsieht, werde das Nutzungsproblem behoben, glauben Lena Dimde, Produktmanagerin der ePA bei der Nationalen Agentur für digitale Medizin gematik und Martin Saß vom Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg). Das Verfahren sieht den aktiven Widerspruch der Bürger vor, wenn sie die Akte nicht nutzen wollen.

Mehr interoperable Daten und Dokumente sind der Schlüssel zur Nutzung

Nur, wenn Daten in der Akte sind, bringt diese einen Mehrwert. Diese Überlegung führt zum zweiten Problem: Der Art und dem Format der Daten. Sollen nicht nur eingescannte Papierbriefe oder PDF-Dokumente hochgeladen werden können, sondern menschen- und maschinenlesbare Daten, dann müssen diese interoperabel, also kompatibel sein. Uta Ripperger von der mio42 GmbH erläutert das Verfahren zur Standardisierung der „Medizinischen Informationsobjekte“ (MIO), wie die Inhalte der ePA genannt werden. „Wenn bestehende Formulare standardisiert werden, wie der Impfpass, ist das eher einfach, da die Inhalte bereits feststehen. Anders sieht es bei dem Pflegeüberleitungsbogen aus. Hier braucht es einen Konsens der Pflegekräfte, Einrichtungen und Verbände“. In diesem Fall sei der erzielt worden, so, dass pflegerische Informationen bei Entlassung aus dem Krankenhaus in eine Pflegeeinrichtung oder an den Hausarzt zeitnah über die ePA gelangen können. Für die Patienten bedeutet das, dass sie bei Ankunft zu Hause oder im Heim vorbereitet empfangen werden können: alle Medikamente sind per Rezept verordnet und abgeholt, der Rollator steht bereit und der Physiotherapeut kommt am nächsten Tag zur ersten Sitzung.

Viele Detailinformationen notwendig für eine interprofessionelle Versorgung

Am Beispiel des Medizinischen Informationsobjektes „Überleitungsbogen Chronische Wunde“, zeigten Mareike Przysucha und Dr. Georg Schulte von der Forschungsgruppe Informatik im Gesundheitswesen der Hochschule Osnabrück wie weitere Detailinformationen zu Menschen mit chronischen Wunden aussehen müssen, damit sie zu einem MIO für die ePA werden. „Der Anwendungsfall Chronische Wunden bietet sich als MIO an, da in Diagnostik und Therapie alle gefordert sind: Die Ärzteschaft mit unterschiedlichen Fachrichtungen, die Pflege, Wundexperten, Physiotherapie und der Patient selbst, um nur die wichtigsten zu nennen,“ erläutert Mareike Przysucha. „Heilung von chronischen Wunden ist nur dann erfolgreich, wenn der Patient mitmacht“, ergänzt Dr. Georg Schulte, der selbst Pflegefachperson ist.

ePA wichtiges Kommunikationsmittel der Leistungserbringer

„Gerade diejenige Gruppe, nämlich multimorbide Patienten, pflegebedürftige und gebrechliche Menschen, auch solche mit Behinderungen, profitieren am meisten von der ePA sie sind aber auch diejenigen, die möglicherweise Schwierigkeiten mit der Bedienung haben,“ gibt Dr. Gisela Löhberg als Vertreterin der Selbsthilfegruppe Pflegende Angehörige zu bedenken. Martin Saß vom Bundesverband Gesundheits-IT betont, „Software muss zusammen mit den Anwendergruppen entwickelt werden. Hierfür gibt es die Prinzipien der partizipatorischen und agilen Softwareentwicklung“. „Im ersten Schritt sollte die ePA als Kommunikationsmittel der Leistungserbringer aus Ärzteschaft und Pflege verstanden werden“, ergänzt Dimde. Der Nutzen jedoch müsse unmittelbar für den betroffenen Menschen wahrnehmbar sein, waren sich alle einig.

Die ePA für alle

Die ePA sollte künftig die Gesundheitsdatensammlung eines Menschen von Geburt an sein, schließlich könne jeder noch so gesunde Mensch plötzlich krank werden oder einen Unfall erleiden. Bei einem Umzug beispielsweise müssten bisher Daten von unterschiedlichen Ärzten eingesammelt werden. Für alle Gruppen von Menschen gebe es relevante Anwendungsfälle der ePA, so die einhellige Meinung.

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Von: Ursula Hübner