Beeinflusst Social Media den Wahlkampf?
Täglich sind wir von spannenden Wissenschaftsthemen umgeben. Mit dem Format „Wissenssnack“ möchten wir aktuelle wissenschaftliche Themen näher beleuchten und durch gezielte Fragen an unsere unterschiedlichen Expert*innen am Campus Lingen aufklären.
Das nachfolgende Interview hat Hochschul-Redakteurin Miriam Kronen mit Prof.in Dr. Yvonne Garbers geführt. Sie ist Professorin für Organisationspsychologie mit Schwerpunkt Organisationsführung an der Fakultät Management, Kultur und Technik der Hochschule Osnabrück.
Frau Professorin Garbers, beeinflusst Social Media den Wahlkampf?
Ein klares Ja! Social Media beeinflusst fast alles in unserer heutigen Lebenswelt, dazu gehört natürlich auch der Wahlkampf, wie aktuell in den USA. So können wir beispielsweise beobachten, dass auf einen Post einer öffentlichen Person stets Reaktionen und danach wieder Gegenreaktionen folgen.
Wie geschieht die Beeinflussung genau?
Um zu verstehen, wie wir uns beeinflussen lassen, müssen wir erst mal einen Schritt zurückgehen und uns anschauen, wie wir eigentlich geformt sind. Unser Gehirn ist ein großer Prozessor und sehr leistungsstark, aber auch eingeschränkt. Denn er wird mit vielen Informationen überflutet und hat gar nicht die Zeit, tief in die Gedankenwelt einzutreten. Das heißt, wir nutzen gerne kognitive Abkürzungen, so genannte Heuristiken oder Biases (Vorurteile), um schneller damit umzugehen. Letztlich sind dann die Informationen, die wir schon kennen und die uns gefallen, auch diejenigen, die wir schnell verarbeiten können.
Wir suchen also nach bestätigenden Informationen, damit wir uns wohlfühlen und zu einer Gruppe dazugehören. Diese „in-group“ befriedigt unser Grundbedürfnis nach der Zugehörigkeit. Somit schließen wir Informationen aus, die nicht dazu passen. Das sind die so genannten Filterblasen. Das ist eine Art Schutzraum, was sich durch Social Media natürlich noch viel mehr verstärkt. Indem man liket, was man gerne mag, bekommt man neuen Content, der genau dazu passt. In Bezug auf die Wahlen entstehen so Formen von Radikalisierung in Verbindung mit Fake-News. Dadurch soll man in seiner Meinung bestärkt werden.
Was bedeutet Persuasion in diesem Zusammenhang?
Persuasion ist die Art der Kommunikation, um jemanden von einer Einstellung oder zu einem Verhalten zu überzeugen. Es gibt einen Sender, einen Empfänger und eine Botschaft. Persuasion meint genau diese Kommunikation zwischen Sender um Empfänger. Es geht darum, den Empfänger mit der Botschaft von etwas zu überzeugen. Bei der Persuasion gibt es zwei verschiedene Routen: die schnelle und die tiefe Route. Die schnelle Route ist das, was sofort passiert, wenn jemand nicht motiviert ist, sich mit einem Thema z.B. Wahlen auseinanderzusetzen und vielleicht auch nicht die kognitiven Fähigkeiten dazu hat. Dann geht das ganz schnell und man ist sofort beeinflusst.
Wenn man aber jemanden wirklich überzeugen möchte, dann muss man die tiefergehende lange Route auswählen. Die Empfänger müssen die Informationen bekommen, die sie auch brauchen und zwar adressatengerecht. Letztlich ist es die Frage, wer sagt was zu wem? Das sind die drei Kennzeichen der Persuasion. Das muss alles zusammenpassen, damit wir jemandem vom Gegenteil oder von einer anderen Verhaltensweise überzeugen können.
Wie lernen angehende Kommunikationswissenschaftler*innen bei uns an der Hochschule, mit Beeinflussung durch Social Media umzugehen?
Wir bringen unseren Studierenden am Institut für Kommunikationsmanagement in vielen verschiedenen Lehrveranstaltungen von Anfang an bei, darüber zu sprechen und darüber zu diskutieren. Wichtig ist es vor allem, auch mal gezielt gegensätzliche Meinungen anzunehmen und sie zu hinterfragen. Ein Projekt findet z.B. immer mit den Erstsemestern statt. Das ist das so genannte „Rezo-Projekt“. Dabei wird mit den Studierenden untersucht, was eigentlich hinter dem Gesagten bei Social Media steckt. Eine große Rolle spielt dabei auch Persuasion. Die Studierenden erstellen ihre eigenen Medienbeiträge, um zu zeigen, wie man richtig persuasiv auftreten kann. Aber auch in empirischen und wissenschaftlichen Projekten geht es darum, Standpunkte einzunehmen und diese in jeglichen Blickrichtungen zu beleuchten.
Zudem hat eine IKM-Studentin kürzlich einen Debattierclub ins Leben gerufen. Das sind genau die Veranstaltungen, die dazu führen, dass man sich mit Themen tiefer beschäftigt und auch andere Meinungen zulässt.
Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für den Wissenssnack genommen haben.
Von: Miriam Kronen