Drei Fragen an … Mittwoch, 7. September 2022

Prof. Dr. Christof Radewagen

Prof. Dr. Christof Radewagen,

Leiter des Kinderschutz-Kompetenzzentrums und Mit-Organisator der Fachtagung „Kinderschutz nach 2 Jahren Pandemie – veränderte Herausforderungen“, am 14. September an der Hochschule Osnabrück in Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Landessozialamt

Herr Radewagen, ein neues Infektionsschutzgesetz für den Herbst ist in Vorbereitung. Es enthält zwar bisher wenig konkrete Maßnahmen für den Infektionsschutz in Kindergärten und Schulen aber die meisten Entscheidungsträger sind sich zumindest darin einig, dass es nicht mehr zu Kita- und Schulschließungen kommen darf. Warum nicht?

Gerade in den Kindertagesstätten, Schulen und Stadtteilzentren werden die Kinder jeden Tag von Fachkräften gesehen. Wir brauchen diese Kontakte, wir wissen auch aus den Statistiken, dass diese Menschen wichtig für die Kinder sind, weil sie sehen, wie es ihnen geht. Wenn wir nun Kindergärten und Schulen schließen, dann schalten wir wichtige Beobachtungsstellen ab und das ist für einen gelingenden Kinderschutz ein Desaster.

Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene wurden in allen Belangen ihres Alltags durch die Corona-Verordnungen stark eingeschränkt, mit erheblich negativen Auswirkungen auf ihre physische und psychische Gesundheit und Bildungsverläufe. Wie konnte Kinderschutz in dieser Zeit überhaupt funktionieren?

Der Kinderschutz wurde dadurch aufrechterhalten, dass die Fachkräfte äußerst sensibel auf Nicht-Kontakte reagierten und Kinder- und Jugendämter entsprechend informierten. Der Kinderschutz lebte quasi von der Aktivität der Fachkräfte in den Kindergärten und Schulen. Vor allem Schulen hielten telefonisch oder per Videokonferenzen Kontakt, tauchten Kinder ab, dann wurden diese Informationen an die Jugendämter weitergegeben. Aber es gab auch Kinder die in dieser Zeit durchgerutscht sind, weil sie über Monate hinweg nicht erreichbar waren.

Im Programm der Fachtagung ist von „lessons learned“ die Rede, also von gewonnenen Erkenntnissen für den Kinderschutz aus zwei Jahren Pandemie. Um welche Erkenntnisse geht es dabei und lassen sich auch positive Entwicklungen erkennen?

Alle haben lernen müssen, dass die Verordnungen die Belange der Kinder- und Jugendlichen zu lange nicht berücksichtigt haben. Der Kinderschutz wurde im Grunde ignoriert. Wenn man etwas aus dieser Pandemie lernen kann, dann, dass es ein solches Abschalten von Sicherungssystemen nicht mehr geben darf. Kindergarten- und Schulschließungen dürfen nicht mehr das Maß der Dinge sein. Auch Stadtteilzentren und Jugendtreffs müssen geöffnet bleiben. Positiv zu vermerken ist, dass einige Träger ihre Kinderschutzverfahren überarbeitet haben. Sie versuchen, ihre Verfahren so anzupassen, dass sie in Situationen, in denen Kinder nicht mehr erreichbar sind besser und schneller reagieren können.

Die Fachtagung ist mit 160 Teilnehmenden bereits ausgebucht. Informationen zum Programm und zum Kinderschutz-Kompetenzzentrum

Von: Isabelle Diekmann