Theaterpädagogischer Austausch über alle Grenzen hinweg Donnerstag, 28. Juli 2016

Prof. Dr. Bernd Ruping gab theaterpädagogische Impulse beim 14. Welt-Kindertheater-Festes in Stratford und Ontario, Kanada
"Das Welt-Kindertheater-Fest ist immer auch ein Ort des fachlichen Austauschs über Inhalte, Methoden und Zielsetzungen der Theaterarbeit mit Kindern und des Stellwertes kultureller Bildung in Deutschland und der Welt", fasst Studiendekan Prof. Bernd Ruping seine Erfahrungen zusammen. Jüngst war der Professor für Theaterpädagogik von Lingen nach Kanada gereist: Im Rahmen des 14. Welt-Kindertheater-Festes (WKT) in Stratford leitete er dort an der Universität von Waterloo in Ontario das "Director´s Forum" und bereicherte einen internationalen Fachkongress zur Bedeutung des Spiels mit dem Titel "Play!". Über hundert Experten aus 22 Ländern beteiligten sich in verschiedenen Fachforen an der Diskussion über den Stellenwert von Spiel und theatralen Ausdrucksformen in einer globalen, multikulturellen und profitorientierten Gesellschaft.
Auf Einladung der Organisatoren des Symposiums nahm aus Deutschland neben Ruping auch eine Delegation des Bundes Deutscher Amateurtheater (BDAT) mit Vorträgen, Workshops und Praxisdemonstrationen teil. Norbert Radermacher, der zusammen mit Ruping das WKT begründete, berichtete in seinem Eingangsreferat von der Entstehung und Zielsetzung des ersten Welt-Kindertheater-Festes 1990 in Lingen (Ems). Er beschrieb den beschwerlichen Weg von der Idee im Jahr 1985 bis zur ersten Austragung Ostern 1990. Nach der ersten Auflage des Festivals konnte niemand vermuten, dass sich aus diesem ersten Experiment das bedeutendste Theaterfest für und mit Kindern in der Welt entwickeln würde. Bis heute haben viele tausend Fachleute aus über 110 Ländern aller Kontinente an dem Welt-Kindertheater-Fest, und damit auch an Gesprächsrunden, Symposien und Spielleiterforen, teilgenommen. Aus dem WKT hat sich ein weltweites Netzwerk der kulturellen Arbeit mit Kindern entwickelt, das in der Lage ist, auch zwischen den Festivals effektiv und nachhaltig zu wirken. Das WKT ist damit ein globales Forum für die grundlegenden Rechte der Kinder auf Spiel und Bildung. Christel Hoffmann, Honorar-Professorin am Institut für Theaterpädagogik in Lingen, verwies als Mitglied der deutschen Fachdelegation in der Diskussion auf die permanente gesellschaftliche Herausforderung, den Kindern und Jugendlichen mit den Mitteln des Theaters und der Theaterpädagogik Bildungsinhalte zu vermitteln und sie zu befähigen, mit Kreativität und Selbstbewusstsein eine immer komplexer werdende multikulturelle Gesellschaft mitzugestalten.
Ruping leitete in Kanda das "Director´s Forum", das einen zentralen Baustein im Konzept des WKT darstellt. Darin wurden allmorgendlich die am Vortag gesehenen Produktionen in Gegenwart der verantwortlichen Regisseure, Spielleiter und Theaterpädagogen einer professionellen Nachbetrachtung unterzogen. Im kritischen Diskurs ergaben sich verallgemeinernde Fragestellungen, die sich in ihrer Unterschiedlichkeit auf der Bühne als relevant erwiesen: Wie ist das Verhältnis zwischen den jungen Spielern und den erwachsenen Spielleitern? Sind diese eher Erzieher in eine kulturelle Ausdrucksform hinein oder Fascilitatoren eines Ausdrucks, der aus der Perspektive der Kinder erwächst? Wie ist das Verhältnis der jungen Spieler zum Auditorium? Nehmen sie die Anwesenheit des (internationalen) Publikums in ihr Spiel hinein oder liefern sie ein Erarbeitetes ab? Lässt die Dramaturgie ihres Spiels performative Elemente zu, die auf die Gegenwärtigkeit der aktuellen Situation zielen?
Ausgehend von diesem Diskurs im "Director´s Forum" nutzte Ruping dann beim Symposium "Play!" den Raum, auf einen für die Entwicklung der Theaterpädagogik in Deutschland basalen Text hinzuweisen: Walter Benjamins "Programm eines proletarischen Kindertheaters". Benjamin bezeichnet darin die "Beobachtung" als das Zentrum aller unsentimentalen Erziehung, über die allein die Kraft des kindlichen Ausdrucks freizusetzen und an die Belange seines Lebens zu knüpfen sei. Der Bezug dieser Aussagen zu den Phänomenen des Kindertheaters, zur Rolle der Spielleiter und zum Kanon ihrer Kulturen und Methoden führte zu "produktiven Erschütterungen des Selbstverständnisses der am Diskurs beteiligten internationalen Kolleginnen und Kollegen", so Ruping. Diese manifestierte sich in Einladungen nach Russland, Paraguay und Bangladesch sowie, im engeren universitären Bezug mit Anfrage nach Kooperationen zwischen den Instituten, nach Kroatien und Kanada.