Heimspiel Wissenschaft in Melle: KI im Klassenzimmer – Chance oder Risiko? Mittwoch, 8. Oktober 2025

Im September verwandelte sich das Foyer des Gymnasiums Melle in einen Ort lebendiger Wissenschaft: Rund 100 Eltern, Lehrkräfte und Interessierte waren der Einladung zur Reihe "Heimspiel Wissenschaft" gefolgt, um über ein Thema zu diskutieren, das derzeit viele bewegt – Künstliche Intelligenz in der Schule.
Prof. Dr. Karsten Morisse, der an der Hochschule Osnabrück zu Informatik und Digitalisierung forscht und lehrt, brachte mit seinem Vortrag die aktuelle Forschung direkt an seinen Wohnort und stieß damit auf reges Interesse im Publikum. Schon zu Beginn machte er die Dynamik des Feldes deutlich: „Was ich heute über KI weiß, ist morgen vielleicht schon nicht mehr gültig.“ Die Geschwindigkeit der Entwicklung sei enorm – und sie erreiche längst auch den Schulalltag.
Von Chancen und Grenzen
Ein Schwerpunkt des Abends lag auf der Frage, wie KI in Bildungseinrichtungen gewinnbringend eingesetzt werden kann. Besonders hervorgehoben wurde ihr Potenzial, Lehrende und Lernende zu unterstützen – zum Beispiel durch den Einsatz als „Tutor“ in einem Frage-Antwort-Gespräch, durch die Entwicklung passgenauer Lehrmaterialien oder durch die Simulation realistischer Prüfungssituationen zur gezielten Vorbereitung. Gleichzeitig warnte Morisse vor den Grenzen: „Generative KI versteht nicht, sie rechnet Wahrscheinlichkeiten aus. Deshalb entstehen fehlerhafte oder sogar erfundene Inhalte.“ Zudem sei der Wissensstand auf den Trainingszeitpunkt beschränkt.
Eine zentrale Herausforderung sieht Morisse darin, Lernende trotz technischer Hilfen zum Durchhalten und eigenen Denken zu motivieren: „Wie kriegen wir die Schüler*innen dazu, sich mit anstrengenden Lernaktivitäten zu beschäftigen, wenn eine mögliche Antwort auch auf Knopfdruck erscheint?“
Bildung im Wandel
Die anschließende Diskussion machte deutlich, dass Schulen vor einem Umbruch stehen. Gefordert seien neue Kompetenzen: Wissen über Funktionsweisen der KI, praktische Handlungsfähigkeit und kritische Reflexionsfähigkeit. Auch Prüfungsformen müssten sich verändern – projektorientierte oder mündliche Formate könnten künftig an Bedeutung gewinnen.
Gleichzeitig betonte Morisse, dass KI zentrale Bildungswerte nicht ersetzen könne: „Empathie, Beziehungsaufbau und Motivation bleiben zutiefst menschlich.“ Lehrkräfte und Eltern seien gleichermaßen gefragt, Kinder im reflektierten Umgang mit KI zu begleiten. Sein Appell: „Schauen Sie selbst hin, seien Sie neugierig, sprechen Sie mit Ihren Kindern darüber.“ Nur durch Austausch und gemeinsames Lernen könne es gelingen, die Chancen zu nutzen und Risiken verantwortungsvoll zu begegnen.
Im Gespräch bleiben
Offener Dialog statt Verbot – dafür plädierte Morisse zum Ende seines Vortrags. KI dürfe nicht tabuisiert, sondern müsse kritisch erprobt und gemeinsam reflektiert werden. Die lebhafte Diskussion im Anschluss zeigte, dass das Thema viele bewegt. Eines wurde deutlich: Die Frage, wie Künstliche Intelligenz das Lernen verändert, wird Schulen, Eltern und Politik noch lange beschäftigen – und bleibt eine zentrale Gestaltungsaufgabe der kommenden Jahre.
Die Veranstaltung war Teil der bundesweiten Reihe „Heimspiel Wissenschaft“, an dem sich verschiedene Hochschulen beteiligen und die Wissenschaftler*innen in ihre ländlichen Heimatorte bringt. Sie wurde organisiert vom Transferprojekt Fit4Growth (gefördert durch Mittel aus zukunft.niedersachsen, einem Förderprogramm des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur sowie der Volkswagen Stiftung) und dem Transfer- und Innovationsmanagement der Hochschule und der Universität Osnabrück.
Von: Halina Frerkes