Essen anreichen und Rollstuhl fahren: Kinder entdeckten Leben von alten Menschen Montag, 17. Oktober 2016

Beim dritten KinderCampus in diesem Jahr erfuhren die Kinder von Pflegewissenschaftler Markus Münch, was das Besondere an der Pflege von älteren Menschen ist.

KinderCampus-Vorlesung mit Pflegewissenschaftler Markus Münch

Zur dritten KinderCampus-Vorlesung waren rund vierzig junge Besucherinnen und Besucher im Alter zwischen neun und zwölf Jahren gekommen, um am dritten und letzten Teil der Reihe „Was haben Seifenblasen, sich in den Finger piksen und Memory spielen mit Pflege zu tun?“ teilzunehmen. Die Kinder waren neugierig zu erfahren, warum alte Menschen so oft krank sind, warum Opa jetzt im Altenheim wohnt und warum Oma so viel vergisst.


Markus Münch, Lehrkraft für besondere Aufgaben des dualen Studiengangs Pflege, begrüßte die Schülerinnen und Schüler: „Herzlich Willkommen beim KinderCampus. Wer von euch, war denn schon bei den beiden anderen Vorlesungen zum Thema Pflege?“. Viele Kinder zeigten auf und waren gespannt, was sie nun in der dritten Vorlesung erfahren würden.


„Ich habe selbst lange in einem Krankenhaus gearbeitet“, stellte sich Münch den Kindern vor, er begann seine Vorlesung mit einer Erklärung der unterschiedlichen Lebensphasen von Menschen: Die Kindheit, die Jugend, das Erwachsenalter und das Alter. Anhand einer Grafik verdeutlichte Münch, dass sich in jeder Lebensphase das Aussehen verändert und die Leistungsfähigkeit im Laufe des Lebens abnimmt. „Was kommt euch in den Sinn, wenn ihr an alte Menschen denkt?“, wollte Münch von den Kindern wissen. „Alte Menschen vergessen schnell Sachen“, wusste ein Mädchen zu berichten und ein Junge fügte hinzu, „Alte Menschen sind nicht mehr so sportlich und oft krank“. Die Kinder waren sich außerdem einig, dass alte Menschen viele Falten und oft weiße Haare haben.


Münch fragte aber auch, ob es auch schöne Geschichten über das Altern gebe. Auch bei dieser Frage schnellten zahlreiche Finger in die Höhe: „Man wird höflich behandelt und man wird im Bus oder Supermarkt vorgelassen“, „alte Menschen müssen nicht mehr zur Schule“ oder „Oma und Opa können sich um ihre Enkelkinder kümmern“ waren nur einige der positiven Dinge, die die Kinder mit dem Ältersein assoziierten. Die Kinder stellten fest, dass Alter also nicht immer nur negative, sondern durchaus auch positive Seiten hat. Hierzu hatte der Experte für Pflege ein Bild parat: Ein älterer Mann, der ein Smartphone bedient und Kopfhörer trägt. „Es gibt auch alte Menschen, die Handys bedienen können und die im Alter noch fit sind“, machte Münch deutlich. Das Bild sorgte für leises Kichern bei den Kindern. Ein Junge konnte aber bestätigen, dass dieser Eindruck richtig ist: „Meine Oma hat ganz viele Spiele auf ihrem Handy – sie kann gar nicht mehr aufhören, zu spielen.“


Pflegewissenschaftler Münch zeigte den Kindern anhand von Diagrammen, wie sich der Anteil der Altersgruppen in der Gesamtbevölkerung verändert hat. Während 1871 lediglich 5% der Gesamtbevölkerung über 65 Jahre alt waren, waren es 2014 bereits über 21% und 6%waren sogar über 80. Münch wirft dann einen Blick auf das Jahr 2040 und erklärt den Kindern, dass dann voraussichtlich 30% über 65 und 10% der Gesamtbevölkerung über 80 Jahre alt sein werden. Die Kinder staunten und hatten bereits die Antwort auf die Frage parat, warum die Bevölkerung immer älter wird. Die Kinder erklärten, dass sich die Medizin verbessert hat und als Folge weniger Menschen an Krankheiten sterben. Die Kinder warfen zusammen mit Münch einen Blick auf die Lebenserwartung von Männern und Frauen. Im Durchschnitt werden Männer 78,1 Jahre alt und Frauen 83,1. „Mein Urgroßvater ist schon 92“, rief ein Junge. „Wie alt kann denn ein Mensch werden?“, wollte der Dozent von den Nachwuchsstudierenden wissen. Die Kinder hatten unterschiedliche Ideen: 99,105,110, oder sogar 120. Münch lüftete das Geheimnis: „Menschen können nach unserem Wissen maximal 115 Jahre alt werden“. Da staunten die Kinder nicht schlecht! 


Der nächste Teil der Vorlesung sollte nun die Frage klären, warum alte Menschen oft krank werden. Altern bedeutet, dass der Körper sich verändert und häufig nicht mehr so widerstandsfähig und leistungsfähig ist, was dazu führt, dass alte Menschen anfälliger für Krankheiten sind. Der Dozent zeigte auf, welche biologischen Veränderungen im Alter auftreten: Das Sehen und Hören verschlechtert sich und das Alter bringt häufig eine geringere Beweglichkeit und Kraft mit sich. Im Alter entwickeln sich bei vielen Menschen sogar mehrere Krankheiten parallel: „Dies nennt man Multimorbidität“, so Münch. „Dies ist ein wichtiger Fachbegriff, den unsere Studierenden des Studiengangs Pflege dual lernen müssen“.


Der Dozent ging nun zur Frage über, warum alte Menschen oft im Altenheim wohnen und richtet die Frage direkt an seine jungen Zuhörinnen und Zuhörer: „Weil sie nicht mehr laufen können“ und „weil das Kind, was erwachsen ist, keine Zeit hat, sich um seine Eltern zu kümmern und im Altenheim kümmert sich jemand“ sind nur einige der Antworten, die die Kinder in den Raum werfen. Immer mehr Menschen sind pflegebedürftig und brauchen Betreuung, da sie im Alltag nicht mehr alleine zurechtkommen. Im Jahr 2013 waren mehr als 2,6 Millionen Menschen pflegebedürftig. Münch betont, das Zuwendung das wichtigste im Umgang mit alten Menschen ist: „Es ist wichtig, für pflegebedürftige Menschen da zu sein, ihnen zu helfen und sich um sie zu kümmern“. Dieser Aussage stimmen die Kinder mit eindeutigem Nicken zu.


Im letzten Teil der Vorlesung beantwortete Münch mit Hilfe der Kinder die Frage, warum Ältere so viel vergessen und kommt hier auf das Memory-Spiel zu sprechen. Er erklärt den Kindern, dass Alzheimer die bekannteste Form der Demenz ist. Bei dieser Krankheit sterben die Nervenzellen im Gehirn und das Gehirn schrumpft bis zu 20%. Typische Merkmale der Krankheit sind Gedächtnis- und Orientierungsstörungen. Der Dozent erläutert dies anhand des Memory Spiels: Menschen mit einer Demenz-Erkrankung können sich die Bilder auf den Karten nicht mehr merken und diese dann nicht mehr zuordnen. „Heilen kann man die Krankheit nicht, aber die Beschwerdebilder lassen sich behandeln“, erklärt Münch. Gedächtnistraining sei besonders hilfreich, um die geistigen Fähigkeiten zu trainieren und zu erhalten. Münch hat hierzu das Spiel Buchstabensalat mitgebracht, damit die Kinder selbst ausprobieren können, wie ein Spiel für Gedächtnistraining aussehen kann. Die Kinder werden aufgefordert, aus wahllos aneinandergereihten Buchstaben, Tiernamen herauszulesen. Sie sind mit großem Eifer dabei und erkennen aus den Buchstaben einen Marienkäfer, eine Libelle oder auch das Walross.


Zum Abschluss der Vorlesung waren noch einmal die Kinder gefragt: Münch hat einen Rollstuhl und einen Rollator mitgebracht und fordert die Kinder auf, beide Hilfsmittel auszuprobieren, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es ist, im Rollstuhl zu sitzen und den Rollator zu nutzen. Schnell finden sich Freiwillige, die mit viel Geschicklichkeit den Rollstuhl durch den Hörsaal navigieren. Münch hat außerdem für die Kinder Joghurt mitgebracht, denn zu der Pflege von alten Menschen gehört auch, Essen anzureichen: „Füttern sagt man bei alten Menschen nicht, in der Pflege spricht man von Essen anreichen“ klärt Münch auf. Acht Kinder können nun ausprobieren, wie es ist, Essen anzureichen. Die Kinder geben sich mit einem Löffel gegenseitig Joghurt und stellen fest, dass dies gar nicht so einfach ist: „Ihr dürft euch nicht so viel bewegen, denn alte Menschen können sich ja auch nicht mehr so viel bewegen“. Und schon landet der erste Klecks Joghurt auf dem Tisch – gar nicht so einfach, jemand anderem das Essen anzureichen!
„Ihr wart tolle Studierende – vielen Dank, dass ihr da wart!“, beendet Münch die Veranstaltung und lädt die Kinder ein, den Rollstuhl und den Rollator noch weiter auszuprobieren. Die Kinder sind noch eifrig dabei und man merkte ihnen an, dass sie das Thema Alt sein und Pflege durchaus beschäftigt hat. Mit nach Hause nahmen die Kinder also nicht nur jede Menge Wissen, sondern auch mehr Verständnis für ältere Menschen.

Von: Katharina Freitag

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