Praxis, Theorie und Wissenschaft im Austausch Dienstag, 29. März 2016

Eine theaterpädagogische Dreiecksbeziehung

Im Jugendzentrum des Paul-Gerhardt-Hauses in Münster entdecken Praktiker, Theoretiker und Studierende in persönlicher Runde ihre alte Liebe neu: Dort diskutieren sie in regelmäßigen Abständen über die Praxis, Theorie und Wissenschaft in der Theaterpädagogik während der Veranstaltungsreihe „Dreiecksbeziehung“. Sie stellen sich Fragen wie: Wo bleibt in der Praxis der wissenschaftliche Diskurs? Auf diese und viele weitere Fragen wollen handverlesene Wissenschaftler in kreativen und interaktiven Veranstaltungsformaten Antworten finden – und zwar auf Augenhöhe, denn die Theorien, Modelle und Arbeiten der Theoretiker und Praktiker müssen sich dem kritischen Blick der Studierenden stellen. So diskutierten Lingener Theaterpädagogen von der Hochschule Osnabrück im ersten Durchlauf der Veranstaltungsreihe im Wintersemester gemeinsam mit Prof. Dr. Mira Sack von der Zürcher Hochschule der Künste Zürich, Dr. Ole Hruschka von der Universität Hannover und Prof. Dr. Ulrike Hentschel von der Universität der Künste Berlin über Theaterpädagogik im Zusammenhang mit politischer Bildung und ästhetischer Bildung. In diesem Sommersemester setzt sich die Veranstaltungsreihe fort.

Die erste „Dreiecksbeziehung“ in diesem Sommersemester wurde mit einem Vortrag über Biografisches Theater von Prof. Dr. Norma Köhler von der Fachhochschule Dortmund eröffnet. „Es ist ein tolles Event, das unterschiedliche Lehren und Sichtweisen über die Theaterpädagogik zusammenbringt. Ich halte es für ein sehr produktives und innovatives Format, um den persönlichen Horizont um neue Perspektiven zu erweitern. Außerdem werden meine eigenen Theorien dann auch nochmal kritisch unter die Lupe genommen“, so die Referentin. Sie würde eine Weiterführung des Projekts sehr begrüßen.

„Spannend!“, „inspirierend!“ und „großartig!“, auch die Stimmen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sprechen für eine Fortsetzung der Veranstaltungen in den nächsten Semestern. „Wir wollen eine Verbindung schaffen zwischen der Fachtheorie, der Fachpraxis und der Lehre. Das erklärt auch den Namen der Veranstaltungsreihe Dreiecksbeziehung“, sagt Dr. Anne Keller, Dozentin für Archäologie der Theaterpädagogik am Institut für Theaterpädagogik auf dem Campus Lingen, die die Veranstaltung ins Leben gerufen und zusammen mit Sabine Ehnert vom LearningCenter konzipiert und verwirklicht hat. Finanziell unterstützt wird diese zum großen Teil vom Learning Center (gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung) der Hochschule Osnabrück in Lingen als auch vom Deutschen Archiv für Theaterpädagogik.

Kellers Anliegen ist es, Studierende des Fachs mit Praktikern und Wissenschaftlern aus der Theaterpädagogik zusammenzubringen: „Studierende sollen im Rahmen der Veranstaltung auch die Möglichkeit erhalten, eine genauere Vorstellung vom Berufsfeld der Theaterpädagogik zu erhalten. Aber auch Praktika und Abschlussarbeiten können sich im Austausch mit den Referenteninnen und Referenten ergeben.“ Ein weiterer wichtiger Punkt sei es, die Sicht der Studierenden um die wissenschaftliche Perspektive der Theaterpädagogik zu erweitern, damit sie auch Möglichkeiten einer Karriere in der Forschung erkennen.

Auch für Sabine Ehnert vom Learning Center der Hochschule Osnabrück ist der Netzwerk-Gedanke der Veranstaltung sehr wichtig. Die Ziele des LearningCenters sind die Unterstützung der Lehre und des Lernens durch die Sicherstellung des Studienerfolgs und die Kompetenzentwicklung der Studierenden. „Wir sehen in der Dreiecksbeziehung ein Projekt, das Studierende, Praktiker und Wissenschaftler außerhalb des Instituts für Theaterpädagogik zusammenbringt und durch den hohen Praxisbezug neue Ideen und Perspektiven zu Tage bringt.“So können der Studienerfolg gefördert durch das „Get together“ mit Wissenschaftlern und Praktikern aus der Theaterpädagogik auch der Übergang vom Studium in die Berufswelt erleichtert werden. „Die Verknüpfung von Studienerfolg und Netzwerk war ausschlaggebend dafür, dass wir das Projekt unterstützen“, sagt Ehnert.

Prof. Dr. Marianne Streisand, die Schirmherrin der Veranstaltungsreihe, zeigt sich von der Dreiecksbeziehung begeistert: „Die einzelnen Termine sind immer sehr gut besucht. Es ist eine spannende Sache, wenn unterschiedliche Menschen mit ihrem je verschiedenen Wissen, ihren verschiedenen Theorien und Lehrformen aufeinandertreffen.“ Die Professorin wird im Rahmen der Veranstaltungsreihe einen Vortrag zum Thema „Fundorte/Fundstücke der Geschichte und Gegenwart von Theaterpädagogik“ halten. Was die Teilnehmer am 18. Mai 2016 erwartet, verrät sie aber noch nicht, sondern nur so viel, dass sie einen Blick auf die Geschichte der Theaterpädagogik werfen wird.

Das DATP dokumentiert seit 2007 als Forschungsgrundlage die Geschichte und Gegenwart der Theaterpädagogik. Dokumente und Materialien aller Medien aus der jüngeren und älteren Geschichte des noch jungen Studienfachs werden in dem Archiv gesammelt und für die Forschung, Lehre, künstlerische Praxis und die Öffentlichkeitsarbeit bereitgestellt. Das Archiv verfügt derzeit über zwanzig Sammlungen von Materialen renommierter Theaterpädagogen, ein Lehrstückarchiv und eine Textheftsammlung von rund 2500 Titeln. „Die Archäologie unseres Fachs ist sehr facettenreich und spannend und lässt sich nicht als geradlinigen Stammbaum darstellen. Es gibt immer wieder etwas Neues zu entdecken“, so Streisand als Leiterin des DATP, „Mit dem DATP wollen wir einen wichtigen Beitrag für die Geschichts- und Gegenwartsforschung zur Theaterpädagogik leisten und dadurch die Gegenwart und Zukunft des Fachs und der Forschung weiterentwickeln.“

Weitere Ziele sind es außerdem nationales und internationales Kulturgut zu bewahren, Impulse in wissenschaftlichen, künstlerischen und pädagogischen Feldern zu geben und einen internationalen Ort des lebendigen Dialogs zwischen den Generationen der Theaterpädagogik zu schaffen. „Mit einigen Lehr- und Forschungsprojekten etablieren wir außerdem eine Schnittstelle zwischen dem Studiengang Theaterpädagogik und dem DATP. Die Arbeit mit dem DATP ist eng in die Lehre eingebunden“, so Prof. Dr. Marianne Streisand. Es ist bisher das einzige Archiv im deutschsprachigen Raum, auf das alle Ausbildungsinstitutionen für Theaterpädagogik zugreifen können.

Von: Julia Küter