Wie Studierende die nachhaltige Hochschule der Zukunft sehen Montag, 30. Juni 2025

Prof. Dr. Guido Grunwald vom Campus Lingen der Hochschule Osnabrück forscht zu Nachhaltigkeitserwartungen von Studierenden an ihrer Hochschule. Foto: Hochschule Osnabrück

Prof. Dr. Guido Grunwald vom Campus Lingen veröffentlicht internationale Studien zu Nachhaltigkeitserwartungen von Studierenden

„Nachhaltigkeit“ ist in aller Munde. Auch an Hochschulen nimmt das Themengebiet eine zentrale Rolle ein. Aber wiekann eine Hochschule Nachhaltigkeit nicht nur lehren, sondern auch leben? Und welche Nachhaltigkeitserwartungen haben die Studierenden eigentlich an ihre Hochschule? Mit diesen Fragen hat sich Prof. Dr. Guido Grunwald vom Campus Lingen der Hochschule Osnabrück als Projektleiter in mehreren empirischen Studien in Zusammenarbeit mit der amerikanischen Pennsylvania State University und der University of North Carolina beschäftigt.

Die Idee zu den bislang einzigartigen Studien entstand aus einer angeregten Diskussion zwischen dem Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing und Marktforschung, und seinen Studierenden. Daraus leitete sich die zentrale Frage für ein Forschungsprojekt ab: Welche zukunftsbezogenen Erwartungen haben Studierende an die Nachhaltigkeitstransformation ihrer Hochschule? Eine bis dahin unbeantwortete Frage, obwohl gerade diese Erwartungen entscheidend sind für eine gelungene Neuausrichtung von Studienprogrammen, Infrastruktur und Campusbetrieb im Sinne der Nachhaltigkeit.

Stakeholder-Erwartungen spielen entscheidende Rolle

„Für eine erfolgreiche Nachhaltigkeitstransformation von Hochschulen ist die Kenntnis der zukunftsbezogenen normativen Erwartungen ihrer Stakeholder, insbesondere der Studierenden, entscheidend“, so Grunwald. Denn gerade bei dem Thema Nachhaltigkeit könne die Nichtberücksichtigung von Stakeholder-Erwartungen in der Nachhaltigkeitskommunikation zu problematischen Wahrnehmungen wie das so genannte „Greenwashing“ führen.

Statt wie bisher in der Forschung vergangenheits- oder gegenwartsbezogene Wahrnehmungen, Einstellungen oder reines Wissen zur Nachhaltigkeit abzufragen, richtet sich der Fokus in den Studien auf normative, zukunftsgerichtete Nachhaltigkeitserwartungen. Dabei kam eine Erhebungs- und Analysemethode zum Einsatz, die eher aus dem Qualitätsmanagement bekannt ist: die Kano-Methode.

Ganzheitlichliche Ausbildung bedeutend

Diese Technik dient der indirekten Erfassung von Erwartungen und wurde nun erstmals im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitstransformation an Hochschulen angewandt. „Mit der Kano-Methode lassen sich Ergebnisverzerrungen wie durch eine direkte Messung, z.B. die soziale Erwünschtheit, vermeiden. Zudem können neben der Höhe auch die Art der Erwartungen festgestellt und die Auswirkungen auf die Zufriedenheit abgeschätzt werden“, erklärt Grunwald.

So habe man die Studierenden nicht nur gefragt, was bereits da sei, sondern was sie sich unter anderem im Bereich Lehre, Campusgestaltung, Kooperationen mit Partnerunternehmen oder in der internationalen Ausrichtung wünschen, was sie begeistert und was selbstverständlich ist. Gerade in einer Hochschule für angewandte Wissenschaften sei dies essenziell. „Wir bilden Fachkräfte aus, die auch gesellschaftliche Verantwortung tragen. Die ganzheitliche Ausbildung ist deshalb sehr wichtig und Nachhaltigkeit muss ein integraler Bestandteil des Studiums sein.“

Ein internationaler Vergleich: Deutschland - USA

Da die zukunftsbezogenen normativen Erwartungen insbesondere vom kulturellen Umfeld geprägt werden, setzte Grunwald auf Vergleichsstudien zweier Länder, die sich in ihrer Nachhaltigkeitsorientierung markant unterscheiden. Die Wahl fiel auf Deutschland und die USA. Dazu kooperierte der Forscher mit renommierten Marketingwissenschaftlern von der Pennsylvania State University und der University of North Carolina.

„Ein Vergleich zwischen diesen Ländern liefert wertvolle Erkenntnisse über die Unterschiede im Nachhaltigkeitsverständnis“, erläutert Grunwald. Der Datenerhebung liege ein gemischt qualitativ-quantitatives Forschungsdesign mit einem halbstandardisierten Fragebogen zugrunde, der in vergleichbaren Studiengruppen am Campus Lingen und an den zwei Hochschulstandorten der Projektpartner in den USA erhoben wurde. So sei beispielsweise deutlich geworden, dass deutsche Studierende in Lingen ein stärker ausgeprägtes Bedürfnis nach Sichtbarkeit und Wirksamkeit von Nachhaltigkeitsmaßnahmen an ihrer Hochschule haben als ihre US-amerikanischen Kommiliton*innen.

Aufschlussreiche Ergebnisse für Nachhaltigkeitstransformation an Hochschulen

In dem ambitionierten Forschungsprojekt wurden 19 verschiedene Themenbereiche der Nachhaltigkeit an Hochschulen aufgedeckt. In beiden Ländern werden die Integration von Nachhaltigkeit in Produktion und Konsum sowie Geschlechtergerechtigkeit und Inklusion als Grundvoraussetzungen für die Nachhaltigkeitstransformationen angesehen. Die länderspezifischen Unterschiede in den Erwartungen der Studierenden an zentrale Nachhaltigkeitsmerkmale ihrer Hochschule hängen vor allem vom Interesse und Engagement im Bereich Nachhaltigkeit ab.

Unterschiede gibt es insbesondere beim Vergleich von Studentinnen und Studenten. So haben weibliche Studierende länderübergreifend höhere Nachhaltigkeitserwartungen als männliche. „Auf Grundlage der Verhaltensabsichten wurden vier Cluster (Segmente) von Studierenden aufgedeckt, die sich in ihren Nachhaltigkeitserwartungen und -interessen, ihren Werteorientierungen und ihrem demografischen Profil (Geschlecht) unterscheiden“, betont Grunwald.

Die Ergebnisse der Studien seien sehr aufschlussreich und wertvoll. „Sie liefern praxisorientierte Handlungsempfehlungen für Hochschulen, die sich zukunftsfähig aufstellen wollen und zeigen zugleich, wie entscheidend die Stimme der Studierenden bei der Transformation hin zur nachhaltigen Hochschule ist.“ Es gehe vor allem darum, ein neues Mindset zu schaffen. Denn eines sei klar, die Studierenden möchten nicht nur über Nachhaltigkeit reden, sondern haben konkrete Erwartungen an ihre Hochschulen.

 

Weitere Informationen
Prof. Dr. Guido Grunwald
E-Mail: g.grunwald@hs-osnabrueck.de

 

Von: Miriam Kronen