HAWs in Niedersachsen: Auflösung der Pflegekammer ist Rückschritt für die Gemeinwohlbelange der Bürgerinnen und Bürger Dienstag, 4. Mai 2021

Die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in Niedersachsen kritisieren die Entscheidung der niedersächsischen Landesregierung, die Pflegekammer Niedersachsen auf der Grundlage einer misslungenen Befragung aufzulösen.

(Osnabrück, 4. Mai 2021) Die HAWs in Niedersachsen zeigen sich besorgt: Die Landesregierung hat die Auflösung der niedersächsischen Pflegekammer beschlossen. „Wir kritisieren diese politische Entscheidung, die auf der Basis einer Befragung getroffen wurde, an der sich weniger als 20 Prozent der Kammermitglieder beteiligten“, sagt Prof. Dr. Rosa Mazzola von der Hochschule Osnabrück.

Die Pflegekammer fungierte als Körperschaft des öffentlichen Rechts und übernahm gesetzliche Aufgaben auf der Grundlage des niedersächsischen Kammergesetzes für die Heilberufe der Pflege. Sie agierte als berufsständische Vertretung und war beteiligt an zahlreichen Gesetzgebungsverfahren und Verordnungen. Gleichzeitig nahm sie die Aufgaben als Berufsaufsicht und Gewährleistung qualitativ hochwertiger Pflege wahr und erließ Berufsordnungen und Weiterbildungsordnungen. Als Mitglied der Bundespflegekammer hatte sie erstmals die Möglichkeit, politischen Einfluss in den Entscheidungsgremien zu nehmen. In dieser Vakanz muss nun die Landespolitik ihrer Verantwortung gerecht werden: „Das Bundesland Rheinland-Pfalz hat gezeigt, was eine starke Pflegekammer für die Gemeinwohlbelange und das öffentliche Interesse der Pflegeberufe bewirken kann. Dort wurden eine Berufsordnung und Weiterbildungsordnung beschlossen und damit klar definiert, was Pflegeprofession bedeutet. Das fehlt nun in Niedersachsen und dazu verliert das Land seinen Sitz in der Arbeitsgemeinschaft der Landespflegekammern auf Bundesebene und damit eine starke politische Vertretung des Berufsstandes auf Bundesebene“, bedauert Prof. Dr. Rosa Mazzola.

Prof. Dr. Stefanie Seeling von der Hochschule Osnabrück ergänzt: „Diese politische Entscheidung ist ein herber Rückschlag für die Professionalisierung der Pflege. Eine Selbstverwaltung zu haben ist für die Pflege ein Garant für eine sichere Patientenversorgung, Etablierung einer Ethikkommission für gutes Handeln in der Pflege und die Umsetzung einer Berufsordnung im Rahmen der Selbstverwaltung und Selbstbestimmung. Diese Möglichkeit haben wir in Niedersachsen jetzt nicht mehr und geben damit wieder anderen Berufsgruppen den Raum über die Belange der Pflege zu entscheiden.“

Die Hochschullehrenden der Studiengänge Pflege (dual), Pflegewissenschaft, Pflege- und Hebammenwissenschaft von der Hochschule Osnabrück fordern daher gemeinsam mit Hochschullehrenden aus Buxtehude, Hannover und Wolfsburg die niedersächsische Landesregierung auf, Verantwortung für diese politische Entscheidung zu übernehmen und darzulegen, wie der Berufstand ohne Pflegekammer die nötigen Impulse zur weiteren Professionalisierung erhalten soll und die Qualität der Berufsausübung in der Profession Pflege für die niedersächsischen Bürgerinnen und Bürger sicherstellt. Die Mitarbeit an pflegerelevanten Gesetzgebungsverfahren sowie die Wahrnehmung der Qualitätsentwicklung und -sicherung der Berufsausübung sollte nicht allein von Seiten der Arbeitgeberverbände und Krankenkassen übernommen werden.

„Die Pflegekammer war Akteurin in der politischen Öffentlichkeit. Sie sollte ihren Einfluss konstruktiv für die Durchsetzung einer humanen Gesellschaft nutzen, indem ihre Expertise selbstverständlich bei gesundheitspolitischen Entscheidungen einbezogen wird. Sie sollte eine Berufsordnung erarbeiten und die Standards für Fort- und Weiterbildungen festlegen. Somit hätte sie einen wichtigen Beitrag leisten können, die Attraktivität der Pflegeberufe und die Qualität der Pflege in der Zukunft zu sichern. Die politischen Entscheidungsträger vergeben somit die Chance, dass auch ihre pflegerische Versorgung in Zukunft auf hohem Niveau gesichert ist“, unterstreicht Prof. Dr. Barbara Hellige, Professorin im Ruhestand und bis März 2021 an der Hochschule Hannover tätig.

„Die Abschaffung der Pflegekammer bedeutet einen Rückschritt für die Entwicklung und Professionalisierung der Pflegeberufe im Bundesland Niedersachsen. Eine Pflegekammer ist wichtig für eine zukunftsfähige Aus-, Fort- Weiterbildung sowie verantwortungsvolle Mitgestaltung der Pflegeberufe im Gesundheitssystem“, meint auch Prof. Dr. rer. medic. habil. Martina Hasseler von der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften am Campus Wolfsburg.


Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. Rosa Mazzola
Hochschule Osnabrück
Professorin für Pflegewissenschaft,
E-Mail: r.mazzola@hs-osnabrueck.de

Von: Ralf Garten M.A.