Vom dualen Studium in die Selbstständigkeit Montag, 2. August 2021

Markus Quadt, Lingener durch und durch, machte sich nach seinem dualen Studium in der Gastronomie selbständig. Im Interview berichtet er von seinem Weg in die Selbständigkeit, was seinen Erfolg ausmacht und wie das duale Studium ihn auf seinen Weg unterstützt hat.

Quadt hat von 1999 bis 2002 dual Betriebswirtschaft am Campus Lingen, damals noch an der Berufsakademie, studiert. Seine Praxisphasen absolvierte er bei der Berentzen-Gruppe. Nach seinem Studium machte er sich mit seinem eigenen Cocktailservice Q-barfly selbstständig. 2008 startete er mit dem Qurt seinen eigenen Club, den er fünf Jahre später wieder schloss, um das Butchers zu eröffnen. Mittlerweile hat Quadt mit der Posthalterei, dem Sieben und dem Butchers drei Gastronomien in Lingen und ist aus der Lingener Innenstadt nicht mehr weg zu denken. Er besticht die Menschen mit seiner sympathischen, ehrlichen und offenen Art, die im Interview immer wieder durchbricht – dies zeigte sich bereits im Vorfeld des Gesprächs: Quadt bestand darauf, geduzt zu werden.

Hast du dich schon immer für die Gastro- und Eventszene interessiert oder wuchs das Interesse während deines Bachelorstudiums und deiner Zeit bei Berentzen?

Quadt: Ich hatte durch meine Familie immer Gastro-Kontakt, da sie tief in dieser Branche verwurzelt ist. Schon als Kind habe ich angefangen, die ersten Flaschen einzusammeln. Während meiner Schul- und Studienzeit habe ich dann immer gekellnert. Dass ich das irgendwann hauptberuflich mache, war nie der Plan. Im Studium habe ich die Grundlage der Kalkulation kennengelernt. Dann habe ich nebenberuflich ein bisschen was gemacht, aber eigentlich ist es dann bei Berentzen entstanden. Mir kam während des Betriebsfestes die Idee, ein Konzept für einen Cocktailservice bei Berentzen auszuarbeiten, weil dieser bis dahin immer zugebucht wurde. Das Konzept wurde dann auch freigegeben.

Der Gedanke, sich selbstständig zu machen, kam also bei deiner Zeit bei Berentzen auf?

Quadt: Genau, nebenberuflich habe ich das zu der Zeit schon gemacht. Dass ich das hauptberuflich mache, war tatsächlich erst später. Nach meinem Studium war ich eine Zeit im Ausland. Dann kam ich wieder und wollte eigentlich im Gastro-Bereich in den Außendienst gehen, aber habe den Job knapp nicht bekommen. Im Nachhinein war die Absage das Beste, was mir passieren konnte. Wenn ich den Job bekommen hätte, hätte ich mich wahrscheinlich nie selbstständig gemacht. Eigentlich wollte ich mich nur für ein Jahr lang selbstständig machen. Am Anfang steckte da auch noch nicht die große Strategie hinter. Ich hatte ein kleines Lager im Keller meiner Eltern und habe nach Veranstaltungen mit meiner Mama die Gläser in unserer privaten Spüle Zuhause gespült.

Hattest du Angst vor dem Risiko, was du mit der Selbstständigkeit eingegangen bist?

Quadt: Angst hatte ich nicht, weil mein Startkapital 500 Euro waren. Bei den ersten Veranstaltungen hatte ich mir von meinen Eltern Geld geliehen, um Ware einzukaufen, und habe nach der Veranstaltung das Geld direkt wieder zurückgegeben. Dementsprechend hatte ich keine großen Investitionen. Das ging erst los, als ich 2008 einen Club, das Qurt, eröffnet habe. Da gab es zum ersten Mal ein finanzielles Risiko. In der Situation hatte ich dann auch echt Angst.

Vor der Eröffnung des Qurts hast du Kontakt zum IDS aufgenommen und mit den Studierenden kooperiert. Diese haben im Rahmen ihres Projektstudiums dann unter anderem Marktanalysen durchgeführt und das Interesse der Lingener an einem Club erhoben. Hat das IDS eine große Rolle bei deinem Schritt in die Selbstständigkeit gespielt?

Quadt: Ja, absolut! Gerade dieser Bezug zwischen Praxis und Theorie hat mir sehr geholfen. Ich bin nicht der typische Theoretiker, sondern eher ein Praktiker. Im dualen Studium habe ich diesen Bezug zur Praxis kennengelernt, das hat mir auf jeden Fall geholfen. Ohne meine Kenntnisse aus der Berufsakademie hätte ich den Schritt in die Selbstständigkeit nicht gewagt. Da waren auch viele Leute, die mich unterstützt haben. Thomas Steinkamp zum Beispiel ist privat auch ein Freund von mir. Mit ihm und anderen Lehrenden habe ich damals viel gesprochen. Denn, wenn man ehrlich ist, sich mit einem Cocktailservice direkt nach einem Studium selbstständig zu machen, ist nicht der klassische Karriereweg. Aber ich hatte immer einen großen Ansatz: Ich wollte etwas machen, woran ich Spaß habe. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass man nur gut in seinem Job ist, wenn man daran Spaß hat.  

Spürst du das duale Studium noch? Inwieweit kannst du das erlernte Wissen in deinem heutigen Job noch nutzen?

Quadt: Absolut, das ploppt alles immer wieder auf! Wie viele Studierende, bin ich auch der Meinung, dass einige Inhalte überflüssig waren, aber viel braucht man immer wieder. Ich glaube, dieses grundsätzliche, kaufmännische Verständnis ist ein ganz wichtiger Punkt. Mir ist bei anderen Gastronom*innen aufgefallen, dass ich relativ schnell im Kopf Kalkulationen aufstellen konnte, was anderen sehr, sehr schwerfiel. Wenn ich etwas überschlagen habe, war ich immer schon sehr nah an der Realität, da habe ich viel aus dem Studium mitgenommen.

Welches war dein Lieblingsmodul bzw. welches Modul würdest du heute gerne nochmal hören?

Quadt: Das Modul „Unternehmensführung“, ich glaube, es hieß so, würde ich gerne nochmal hören. Marketing fand ich auch immer sehr spannend.

Wie würdest du deine Beziehung zum IDS beschreiben?

Quadt: Als ich damals 1999 begonnen habe, gab es die Berufsakademie noch gar nicht lange. Da war das alles noch ein bisschen kleiner und man kannte jeden persönlich. Ich habe durch meinen Job immer wieder Kontakt zur Berufsakademie und später auch zum IDS gehabt. Bei meinem ersten Club lag der Fokus auch wirklich auf Studierenden. Die Veranstaltung „Night of the Profs“, die gerade digital wieder aufgelebt wurde, hat sich aus der Zusammenarbeit mit Studierenden entwickelt. Das gab es 2009 das erste Mal. Der Bezug zum IDS ist auf jeden Fall immer noch da. Besonders Herr Arens-Fischer ist jemand, der sich unfassbar für seine Studierenden einsetzt. Das hat er bei mir damals auch getan. Ich habe während des Studiums zwei Prüfungen total in den Sand gesetzt. Da hat er mir sehr geholfen. Wie man beim IDS unterstützt wurde, hat mir damals sehr imponiert. Gerade am Ende des Studiums ist einem bewusst geworden, dass alle den Ansatz haben, die Studierenden möglichst gut auf das Berufsleben und die Zukunft vorzubereiten. Den Werkzeugkoffer habe ich auf jeden Fall mitbekommen.

Mittlerweile hast du schon einige Lokalitäten in Lingen eröffnet und Events wie die „Lingener Bierkultur“ oder die angesprochene „Night of the Profs“ etabliert. Man kann sagen, dass du immer mehr Verantwortung für die Gastro- und Eventszene in Lingen übernimmst.

Wie kommst du auf diese verschiedenen Geschäftsideen? Gibt es jemanden oder etwas, der oder das dich besonders inspiriert?

Quadt: Meine Mannschaft, die hier arbeitet, inspiriert mich besonders. Alle haben hier Mitspracherecht und sollen Ideen reinschmeißen. Ich reise auch sehr viel und nehme viele Ideen mit nach Hause. Gerade in der Gastronomie bin ich der Meinung, man muss nicht alles neu erfinden, sondern gute Ideen sammeln. Von den guten Ideen muss man die Sachen, die passen, zusammenführen und das Ganze dann auf Lingen übertragen. Das ist auch das, was ich an meinem Job so liebe, wir können morgens eine Idee haben und diese mittags umsetzen. Wir haben auch in der Lockdown-Zeit bewiesen, dass wir sehr schnell in der Umsetzung sind. Die Idee für die digitalen Bier- und Gin-Proben hatten wir Dienstagsmorgens. Mittags haben wir die Idee besprochen und nachmittags ein Video darüber online gestellt. An dem Samstag war dann die erste Bierprobe. Das macht einfach unfassbar viel Spaß.

Sollen die virtuelle Bierprobe und das Gin-Tasting längerfristig bestehen bleiben?

Quadt: Nein, auf jeden Fall nicht in dieser Dimension. Wir hatten einen wichtigen Ansatz und der war, alle Mitarbeitenden durch diese Zeit zu bekommen. Die erste Bierprobe hatte den Ansatz, dass wir vielleicht das Lager leer bekommen. Dann hatten wir unfassbar viel Erfolg mit der Bierprobe. Das können wir bis heute selbst nicht glauben. Die größte Online-Bierprobe der Welt haben wir gemacht. Vorher gab es eine in London mit 1.300 Teilnehmenden und jetzt bei uns im Emsland mit 1.900 Proben, bei denen sich viele das Bier noch geteilt haben, sodass es noch mehr Teilnehmende waren. Wir hatten Berichte in der Süddeutschen Zeitung und wurden bei Jan Böhmermann und Olli Schulz im Podcast erwähnt. Letztes Jahr haben wir auch noch einen Preis für die Mannschaft abgeräumt. Es war wirklich toll und so haben wir uns durch die Zeit gerettet.

Planst du weitere Online-Events über die Grenzen von Lingen hinaus?

Quadt: Wir werden überlegen, ob wir Weihnachten ein Special machen, aber unterm Strich sind wir auf jeden Fall angetrieben, hier vor Ort ein frisch gezapftes Bier an den Tisch zu bringen. Was gerade noch läuft, sind digitale Firmen-Proben.

In den letzten Jahren ist unglaublich viel passiert. Das Qurt wurde eröffnet und geschlossen. Dem Qurt folgten das Butchers, die Alte Posthalterei und das Sieben.

Gab es einen Moment, wo du dachtest, dass du aufgeben musst?

Nein, auf keinen Fall und zwar aus mehreren Gründen: Als erstes habe ich eine Familie Zuhause, für die ich die Verantwortung trage. Zum zweiten habe ich Mitarbeitende, eigentlich sage ich immer Kolleg*innen. Immer wenn hier etwas los ist, sind die für mich da, und wenn es dann mal nicht so gut läuft, muss ich für die da sein. Das ist eine ganz klare Überzeugung. Und ich glaube, das was wir hier tun, ist gut und trägt auch etwas zum Stadtleben bei. Wir versuchen, den Menschen eine gute Zeit zu schenken. Nur weil es jetzt mal ruckelt, dürfen wir nicht aufgeben. Natürlich kommt man mal ins Nachdenken. Vor allem die ersten zwei Tage, als es hieß, dass wir zu machen müssen, war ich schon ein bisschen verzweifelt. Ich habe dann aber auch ganz schnell gemerkt, wie groß der Rückhalt ist, den ich hier habe.

Sind in Zukunft weitere Neuheiten in der Gastro- und Eventszene in Lingen geplant?

Quadt: Es gibt tatsächlich noch eine Idee, die wir haben, aber die werde ich dieses Jahr nicht umsetzen. Ich habe immer noch den Traum, einen kleinen Kaufmannsladen in Lingen aufzumachen, wo ich selbst produzierte Produkte aus unseren Läden anbiete und vielleicht ein paar Flaschen Bier, aber in erster Linie selbstgemachte Lebensmittel von Manufakturen hier aus dem Emsland und der Grafschaft – so eine Mischung aus klassischem Kaufmannsladen, Geschenkebude, Hofladen und Bottle Shop. Hier in der Ecke Emsland/Grafschaft gibt es so unfassbar viel Gutes. Es gibt nur noch niemanden, der das bündelt.

Fällt es dir schwer, dass Berufs- und das Familienleben zu vereinen? Wie schaffst du es, all die verschiedenen Gastronomien am Laufen zu halten?

Quadt: In normalen Zeiten, wenn gerade keine Pandemie ist, bekomme ich das gut hin, das Berufs- und Familienleben zu vereinen. Meine Frau hat mich glücklicherweise schon so kennengelernt. In so einer Selbstständigkeit, wie ich bin, kann man auf der einen Seite auch sagen, ich bleibe jetzt morgens noch ein bisschen Zuhause und kuschele mit den Kindern, bevor die losmüssen. Auf der anderen Seite habe ich viele Samstagabende, die ich arbeite. Es gibt immer Vor- und Nachteile. Aber ich habe mein Büro zum Beispiel Zuhause, d. h. wenn ich dann im Büro sitze, bin ich quasi da, auch wenn ich arbeite. Für mich ist die Trennung zwischen Beruf und Privat auch gar nicht so krass, weil das, was ich mache, ist ein Teil meines Lebens und meines Privatlebens, da ich hier wirklich Sachen mache, die ich mag und wo ich hinter stehe.

Ich mache mir gerade tatsächlich auch viele Gedanken darüber, dass ich noch mehr Verantwortung abgeben muss, damit ich ein bisschen freier bin. Verantwortung abzugeben, musste ich den letzten sieben Jahren auch erstmal lernen.

Worauf legst du besonders Wert bei deinen Geschäftskonzepten?

Quadt: Ich möchte es authentisch haben. Außerdem muss es gerecht für die Mitarbeitenden sein. Wenn ich Konzepte mache, bespreche ich immer erst mit meinen Leuten, ob die das Konzept mitgehen würden. Als Beispiel: Rein kaufmännisch könnte ich in der Alten Posthalterei super sonntags ein Frühstücksbuffet anbieten. Das machen wir nicht, weil es zum einen für die Mitarbeitenden total doof ist und zum anderen ist es auf die Lebensmittel bezogen nicht das, was wir uns vorstellen. Da wird zu viel weggeschmissen. Ich habe auch Bock auf Veränderungen. Ich möchte Bewegung drin haben.

Was sind deiner Meinung nach die Kernkompetenzen der Posthalterei, des Siebens und des Butchers? Was macht diese Geschäftskonzepte so besonders?

Quadt: Wir haben intern drei Namen für die Läden: Die Posthalterei ist unser Mutterschiff, die Butchers unser Wohnzimmer und die Sieben ist unser kreativer Ort. Im Butchers möchten wir wirklich einen Ort haben, wo man gerne hingeht, eine gute Zeit und eine tolle Atmosphäre hat mit Musik und geilen Drinks. Im Sieben möchten wir das Thema Nachhaltigkeit fahren. Es ist so, dass wir immer nur sieben Gerichte auf der Karte haben. Wir schmeißen sehr, sehr wenig weg. Da möchten wir also nachhaltig, aber trotzdem auch total kreativ sein. Die Köche können aus allen Facetten der Welt ihre Ideen ziehen und Gerichte zubereiten. Die Posthalterei ist ein Ganz-Generationen-Haus. Vom Säugling bis zu den Großeltern sollen sich hier alle wohlfühlen. Wir möchten einen Querschnitt der Gesellschaft hier haben. Dieses Haus ist für mich das schönste Haus Lingens und das muss für alle begehbar und erlebbar bleiben.

Welchen Tipp würdest du Studierenden mit auf den Weg geben, die ebenfalls mit dem Gedanken spielen, sich selbstständig zu machen?

Quadt: Viel reden! Vor allem mit unterschiedlichen Leuten reden, angefangen bei Familie und Freund*innen über Menschen, die in dem Bereich tätig sind, bis zu passenden Lehrenden, die etwas in diesem Bereich machen. Außerdem sollten sie sich nicht verunsichern lassen. Wenn sich jemand selbstständig machen möchte, muss er erstmal das Wort „Erfolg“ für sich definieren. In Deutschland wird Erfolg leider sehr oft an Geld gemessen. Das halte ich für sehr schwachsinnig. Man sollte darüber nachdenken, was möchte ich schaffen, wie kann ich erfolgreich sein. Den Weg muss man dann konsequent gehen. Egal, was man macht oder wie voll der Markt schon ist, wenn man gut ist, hat man auch Erfolg.

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