Unternehmensgründung in jungen Jahren? – Na klar! Zwei (ehemalige) dual Studierende berichten von der Gründung ihres Start-ups. Montag, 24. Januar 2022

Raus aus der Festanstellung, rein in die Ungewissheit! Bei einigen löst der Gedanke sicherlich ein mulmiges Gefühl aus – Stephan Feldker und Jonas Lünswilken hielt dies aber nicht auf. Beide gaben ihre unbefristeten Stellen auf und gründeten inmitten der Corona-Pandemie gemeinsam mit Wilke Pohlmann das EXIST Start-up moduco. Im Interview blicken die beiden auf die Gründungsphase zurück.

Feldker studierte von 2007 bis 2010 dual Wirtschaftsingenieurwesen am Campus Lingen. Nach Abschluss seines Bachelorstudiums war er wissenschaftlicher Mitarbeiter bei uns am Institut für Duale Studiengänge (IDS) und beschäftigte sich zum Beispiel mit der intelligenten Sensorik in der Produktion. Parallel dazu erlangte er den Master of Science. Im Anschluss war Feldker in zwei Ingenieursbüros tätig.  

Auch Lünswilken absolvierte sein Bachelor of Engineering bei uns am Campus Lingen. Von 2014 bis 2017 studierte er dual den Studiengang Engineering technischer Systeme (EtS) mit der Vertiefung Elektrotechnik. Derzeit ist Lünswilken wieder dualer Student der Hochschule. Seit 2021 ist er im dualen Masterprogramm Technologieanalyse, -engineering und -management (TAEM) mit der Studienrichtung Wirtschaftsingenieurwesen eingeschrieben und kombiniert die Start-up Gründung mit dem Studium.

Neben ihren Erfahrungen mit dem dualen Studium haben die beiden gemein, dass sie bei uns als wissenschaftliche Mitarbeiter tätig waren und vor der Unternehmensgründung Berufserfahrungen im Sondermaschinenbau, speziell im Bereich Automatisierungstechnik, gesammelt haben. Der ähnliche Hintergrund führte dazu, dass beide gleiche Erfahrungen im Berufsalltag machten und den Drang entwickelten, industrielle Automation neu zu denken. Im Frühjahr bewarb sich das Gründerteam erfolgreich beim Förderprogramm EXIST des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Das Programm ist spezialisiert auf technologieorientierte und wissenschaftsbasierte Existenzgründungen und fördert Studierende, Alumni und Wissenschaftler*innen mit einem Jahresstipendium. Trotz Corona-Krise wagten sie den Schritt und gründeten das Start-up moduco.  

Warum kam der Wunsch bei Ihnen auf, sich selbstständig zu machen? Wie ist die Idee für das Start-up entstanden?

Feldker: Ich glaube die Idee hatte ich schon sehr lange im Hinterkopf. In den letzten Jahren hat sie zunehmend Gestalt angenommen. Letztes Jahr im Juni habe ich dann den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und anschließend Jonas und Wilke Pohlmann mit ins Boot geholt.

Lünswilken: Als Stephan mir seine Idee erzählt hat, war ich direkt begeistert. Er wollte Probleme angehen, die auch ich im Arbeitsalltag wahrgenommen habe. Ich habe ebenso wie Stephan das große Potenzial gesehen.

Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrem Geschäftskonzept? Was ist Ihrer Meinung nach das Besondere an Moduco?

Lünswilken: Der Name moduco steht für modular company. Wie der Name schon sagt, geht es darum, Produktionsanlagen zu modularisieren. Wir legen einen wesentlichen Fokus auf Flexibilität und Wandelbarkeit, sodass Unternehmen Produktionsanlagen nach eigenen Bedürfnissen immer wieder neu zusammenstellen und konfigurieren können.

Feldker: Die Rahmenbedingungen in produzierenden Unternehmen in Deutschland sind zunehmend dynamischer geworden. Wir wollen mit unserem Systembaukasten einen Beitrag dazu leisten, dass Unternehmen aktuellen und zukünftigen Herausforderungen gewachsen sind und auch in Zukunft weiter in Deutschland produzieren.

Moduco wurde inmitten der Corona Krise gegründet, hatten Sie Angst vor dem Risiko, was Sie damit eingegangen sind?

Feldker: (lacht) Ehrlich gesagt hatte ich keine Angst davor. Das mag Naivität sein oder der unumstößliche Glaube, dass die Idee funktionieren wird. Wir waren und sind einfach fest davon überzeugt, dass es einen Bedarf und einen Markt für unsere Idee gibt.

Lünswilken: Wir stehen so hinter der Idee, dass wir die Gründung von moduco auch ohne Förderung gewagt hätten. Wahrscheinlich wäre dann jetzt alles etwas langsamer vorangeschritten und manches anders gelaufen, aber das hätte uns nicht davon abgehalten, diesen Schritt zu gehen.

Inwiefern hat Sie das duale Studium auf die Unternehmensgründung vorbereitet? 

Feldker: Das duale Studium hat mich extrem gut vorbereitet. Ich habe Wirtschaftsingenieurwesen studiert, einen Studiengang, der sich durch eine hohe Interdisziplinarität auszeichnet. Bei einer Unternehmensgründung sind viele verschiedene Themen präsent. Unser Produkt ist vom Prinzip etwas Mechatronisches. Zum einen spielen also die Mechanik, die Elektrotechnik und das Programmieren eine Rolle. Zum anderen ist eine Unternehmensgründung mit vielen betriebswirtschaftlichen Aufgaben verbunden, wie Controlling, Vertrieb, Marketing usw. Durch meinen dualen Bachelorstudiengang bin ich total gut auf all diese Dinge vorbereitet. Es ist unfassbar, wie viele Themen aus meinem Studium derzeit wieder aufpoppen. Das sind Dinge, von denen ich früher dachte, dass ich die nie wieder brauche. Jetzt bin ich total happy, dass ich den ganzen Background habe.

Lünswilken: Mein duales Bachelorstudium war sehr breitgefächert aufgestellt. Ich hatte in meinem Studiengang EtS immer die Möglichkeit, auch Module aus dem Fachbereich Maschinenbau, Informatik oder Verfahrenstechnik zu belegen. Das hilft mir jetzt enorm, wenn ich mich mit Mitarbeitenden aus den verschiedenen Disziplinen austausche. Ich bringe ein Grundverständnis zu den notwendigen Themen mit und weiß, wovon die Leute reden. Dieser fächerübergreifende Austausch im Studium hat mich sehr gut darauf vorbereitet, Schnittstellen zu erkennen und diese bei meinen Entwicklungsarbeiten, in meiner Fachdisziplin Elektrotechnik, zu berücksichtigen.

Welche Expertise bringen Sie aufgrund ihrer Studienlaufbahnen in das Unternehmen ein?

Lünswilken: Ich glaube, wir haben sehr gut gelernt, kundenorientiert zu arbeiten. Es ist enorm wichtig, auf seine Kund*innen zugehen zu können und deren Intentionen und Bedürfnisse zu erkennen. Duale zu studieren bedeutet, die Hälfte der Zeit in einem Unternehmen zu sein. Dadurch konnten wir uns wertvolle Soft Skills aneignen, die uns jetzt sehr helfen, wie z.B. Gespräche führen. Zudem hat man im dualen Studium immer den direkten Vergleich, wie es in der Theorie aussehen sollte und wie es in der Praxis umgesetzt wird. Wir haben einen Blick dafür entwickelt, Verbesserungspotenziale zu erkennen und gelernt, diese systematisch anzugehen. Andersrum erkennen wir durch die Praxiserfahrungen natürlich auch Lücken in der Theorie.

Feldker: Kurz gesagt: inhaltliches Wissen und methodische Kompetenzen. Durch den Praxisbezug im dualen Studium hat durchgängig ein Wissenstransfer stattgefunden und in den Praxisphasen konnten wir viele praktische Erfahrungen sammeln. Dual Studierende werden quasi in einem Unternehmen groß und das macht meiner Meinung nach super viel aus, weil wir dadurch die Abläufe in einem Unternehmen kennengelernt haben.

Was waren die größten Schwierigkeiten und Hürden, die Sie auf Ihrem Gründungsweg überwinden mussten und wie haben Sie die Herausforderungen gemeistert?

Lünswilken: Ich sage es mal so, jeder junge Mensch, der sich dazu entscheidet, ein eigenes Unternehmen zu gründen, steht vor vielen Aufgaben und Entscheidungen, die er zum ersten Mal in seinem Leben macht und trifft. Natürlich ist das eine Herausforderung. Auch wir mussten uns zunächst orientieren, was überhaupt alles mit einer Gründung verbunden ist und was da auf uns zukommt: von Gesellschafterverträgen, über Notarterminen bis hin zur Gewerbeanmeldung etc. Das war alles neu für uns.

Feldker: Rückblickend können wir sagen, dass das alles handhabbar ist. Man kann nicht alles wissen und muss das auch gar nicht. Wir sind immer offen mit den Herausforderungen umgegangen und haben uns extern Unterstützung geholt, wenn wir sie brauchten. Es ist wichtig, seine eigenen Kompetenzen realistisch einzuschätzen und sich nicht davor zu scheuen, andere um Hilfe zu bitten. Wir haben sehr davon profitiert, uns mit unserem Netzwerk auszutauschen: sei es mit Leuten aus dem eigenen Freundeskreis, mit potenziellen Kund*innen bzw. Pilotanwender*innen, mit Zulieferern, mit diversen Coaches und nicht zuletzt auch mit unseren ehemaligen Lehrenden und Kolleg*innen vom IDS. Ich würde deswegen wirklich jedem ans Herz legen, sich bereits im Studium ein Netzwerk aufzubauen und dieses kontinuierlich zu pflegen.

Welche Eigenschaften und Kompetenzen sind Ihrer Meinung nach besonders wichtig, um sich als selbständiger Unternehmer behaupten zu können?

Feldker: Ohne intrinsische Motivation hat man keine Chance. Meiner Meinung nach ist es immens wichtig, von der eigenen Idee überzeugt zu sein und nicht direkt aufzugeben, wenn etwas nicht sofort funktioniert. Somit ist Durchhaltevermögen gefragt. Außerdem ist systematisches Vorgehen super wichtig. Vor allem zu Beginn fallen sehr viele Aufgaben an, die ohne einen Plan nicht adäquat bearbeitet werden können. Gleichzeitig muss man aber auch in der Lage sein, blitzschnell zwischen verschiedenen Aufgaben umzuschalten.

Lünswilken: Das stimmt. Zudem ist es enorm wichtig zu lernen, mit Fehlern umzugehen bzw. nicht zu starr an seinen ersten Überlegungen festzuhalten. Man sollte offen für neue Erkenntnisse sein, sein eigenes Vorgehen auch mal kritisch hinterfragen und frühzeitig gegenlenken, wenn etwas nicht wie geplant funktioniert.

Welchen Tipp würden Sie Studierenden mit auf den Weg geben, die ebenfalls mit dem Gedanken spielen, sich selbstständig zu machen?

Feldker: Am Anfang würde ich jedem empfehlen, mit vielen Leuten darüber zu sprechen. Zu Beginn ist die Gründungsidee häufig noch ein zartes Pflänzchen. Durch den Austausch mit anderen kann die Idee wachsen. Wir empfehlen, Angebote für Gründer*innen in Anspruch zu nehmen. Die Stadt Lingen und der Landkreis Emsland haben z.B. tolle Angebote für Gründungen in der Region. Zudem lohnt es sich, auch mit der Gründungsberatung der Hochschule Osnabrück darüber zu sprechen.

Lünswilken: Ich kann auch dazu ermutigen, Kontakt mit Lehrenden aufzunehmen, die Expertise in dem Bereich haben. Die blicken nochmal aus einer anderen Perspektive auf die Idee und können auf wichtige Aspekte hinweisen, die man bislang vielleicht noch nicht hinreichend bedacht hat. Als junge*r Gründer*in besteht die Gefahr, Probleme zu übersehen, die sich leicht vermeiden lassen. Deswegen ist der Austausch mit vielen verschiedenen Leuten, die einen unterschiedlichen Hintergrund haben, sehr hilfreich und gibt einem viele wertvolle Denkanstöße mit auf dem Weg. Wir haben zum Beispiel auch mit anderen Gründer*innen gesprochen. Auch wir sind immer offen für einen Austausch. Wenn jemand Ideen und Fragen zur Gründung hat, kann die Person gerne direkt auf uns zukommen.