Das duale Studium als Ausbildungstool zur Unternehmensnachfolge Montag, 1. August 2022

Oliver und Andreas Lackmann geben sich die Hand. Vor ihnen liegt der Vertrag, der Oliver Lackmann in die Geschäftsführung beruft.
Oliver und Andreas Lackmann (Foto: Welacom)

Ein duales Studium, um die Unternehmensnachfolge zu sichern? Das war der Plan von Andreas und Oliver Lackmann. O. Lackmann studierte dual Wirtschaftsinformatik am Campus Lingen, um eines Tages den Familienbetrieb zu übernehmen. Im Interview geben die beiden Einblicke in den Weg vom dual Studierenden bis hin zur Position in der Geschäftsführung.

Andreas Lackmann hat sich im Jahr 2000 mit dem Telekommunikationsunternehmen Welacom in Ahaus selbständig gemacht. Schon früh hat er sich mit dem Gedanken der Unternehmensnachfolge beschäftigt. Welacom sollte am liebsten in der Familie bleiben. Sein Sohn Oliver Lackmann hat daher von 2013 bis 2016 dual Wirtschaftsinformatik am Institut für Duale Studiengänge (IDS) der Hochschule Osnabrück studiert, um sich auf die Unternehmensnachfolge vorzubereiten. In sein Studium hat er zudem eine Ausbildung als Großhandelskaufmann integriert. Nach seinem Abschluss arbeitete er einige Jahre als Projektleiter in einem externen Unternehmen, um Erfahrungen zu sammeln. Bevor O. Lackmann Anfang des Jahres Teil der Geschäftsführung wurde, wirkte er bereits seit Juli 2020 im Vertrieb von Welacom mit.

Andreas Lackmann, seit Januar ist Ihr Sohn Teil der Geschäftsführung: Wie hat sich die Entscheidung der Unternehmensnachfolge bei Ihnen entwickelt?

A. Lackmann: Die Entscheidung für die Unternehmensnachfolge haben wir schon früh gefällt und uns darüber informiert, was wir machen können, damit wir eine vernünftige Unternehmensnachfolge haben. Zu dieser Zeit gab es einen Geschäftspartner, dessen Sohn auch am Campus Lingen studiert hat. In diesem Zusammenhang sind wir auf den Campus aufmerksam geworden – der war nah dran und ermöglichte ein duales Studium. Der Plan war: erst das duale Studium, dann noch ein paar Jahre in einer anderen Firma Erfahrungen sammeln, um Input für unser eigenes Unternehmen zu bekommen und dann als Geschäftsführer im eigenen Betrieb einsteigen. Damit wollte ich Oliver auch eine Perspektive geben, bei uns im Unternehmen zu arbeiten.

Zu diesem Plan gehört ja auch noch eine zweite Person. Oliver Lackmann, wann stand für Sie fest, dass Sie im Familienbetrieb arbeiten möchten?

O. Lackmann: Das stand für mich eigentlich relativ früh fest. Schon mit 15 Jahren habe ich bei uns im Shop ausgeholfen. Außerdem hatte ich schon früh den Kontakt in der Firma zu den Mitarbeitenden und Kolleg*innen, die teilweise noch da sind. Der Bereich Telekommunikation hat mich auch schon immer interessiert. In meiner Jugend fand ich eher den Mobilfunkbereich spannend, später den Telekommunikationsbereich. Mittlerweile ist es ja eher ein Mix aus IT und Telekommunikation. Wenn ich das jetzt mal herunterbreche, würde ich sagen, dass die Arbeit im Familienbetrieb seit meinem 15. Lebensjahr mein Ziel war.

Oliver Lackmann, war das duale Studium „Voraussetzung” für die jetzige Position in der Geschäftsführung? Warum/warum nicht?

O. Lackmann: Notwendig hört sich immer so an, als könnte man ohne Studium nicht Geschäftsführer*in werden. Das glaube ich nicht. Für uns war es wichtig, dass ich theoretische Kenntnisse in bestimmten wissenschaftlichen Bereichen aufbaue, damit wir im Betrieb neue Blickwinkel entwickeln können. So können wir Themen und Problemstellungen mit anderen, teilweise ganz frischen Perspektiven aufarbeiten. Im Vorfeld des dualen Studiums habe ich mich mit dem Sohn unseres Geschäftspartners ausgetauscht und er hat vom Studium in Lingen geschwärmt und gesagt, dass es ihm sehr gut gefällt.

A. Lackmann: Man benötigt auch eine Perspektive für den Fall, dass es in der Firma oder bei der Zusammenarbeit überhaupt nicht klappt und man lieber in einem anderen Unternehmen arbeiten möchte. Dann ist ein Studium zum*r Wirtschaftsinformatiker*in natürlich eine ideale Voraussetzung, um in unserer Branche tätig zu werden, ohne das im heimischen Betrieb zu tun.

Dann gab es eine Besonderheit während Ihrer Studienzeit: Sie haben Ihre Praxisphasen nicht nur in Ihrem Familienunternehmen absolviert, sondern auch noch bei anderen Unternehmen. Wie kam es dazu?

O. Lackmann: Letztendlich war das eine Entscheidung, die wir getroffen haben, weil unser Familienbetrieb nicht so groß ist. Im dualen Studium am IDS gibt es sechs Praxisphasen und ich hätte bei uns nicht die Möglichkeit gehabt, in sechs verschiedenen Bereichen zu arbeiten. So habe ich dann, angelehnt an den Studienrahmenplan, zwei Praxisphasen bei uns im Betrieb und den Rest bei befreundeten Unternehmen absolviert, die die Inhalte des Plans besser abdecken können. Ein schöner Nebeneffekt war für mich, dass ich andere Unternehmen und deren Arbeitsweisen kennenlernen und Kontakte knüpfen konnte.

Wenn Sie an die Zeit am IDS zurückdenken – welche Erinnerungen haben Sie daran? An was erinnern Sie sich besonders gerne?

O. Lackmann: Ich denke zuerst an die zwischenmenschlichen Kontakte – sei es mit den Kommiliton*innen, den Mentor*innen, was ein wirklich gutes Konzept am IDS ist, den Lehrenden oder Mitarbeitenden des IDS. Während des Studiums hatte ich nie das Gefühl, keine Unterstützung zu bekommen. Es war immer eine Ansprechperson da, die ich hätte fragen können. Das ist das, was ich mit dem Studium verbinde. Auch das Gefühl, dass ich mich schnell dort eingelebt habe. Einfach aus dem Grund, dass die Unterstützung von allen Seiten da war.

Andreas Lackmann – inwiefern konnte Ihr Unternehmen vom dualen Studium Ihres Sohnes profitieren?

A. Lackmann: Eigentlich in vielerlei Hinsicht:

Wir haben gelernt, wie das duale Studium funktioniert und, dass eine kleine Firma keine Angst haben muss, eine*n dual Studierende*n auszubilden, um diese*n vielleicht auch in höhere Positionen oder in der Geschäftsführung einzusetzen. An dieser Stelle nochmal ein großes Dankeschön an Frau Dinkelborg. Sie hat uns während der ganzen Zeit sehr unterstützt. Wir waren mehrere Male bei ihr, um uns von ihr genau erklären zu lassen, ob das duale Studium etwas für uns als Unternehmen ist. Wir haben uns sehr gut bei ihr und am IDS aufgehoben gefühlt.

Zudem hat uns natürlich auch der Input vorangetrieben, den Oliver aus dem Studium mitgebracht hat. Besonders, dass er sich mit seinen Kommiliton*innen austauschen konnte, die oft aus größeren Unternehmen kamen und andere Erfahrungen gemacht haben als er. Daraus haben wir für unseren Betrieb Wachstumsstrategien entwickelt, sodass wir in den nächsten Jahren davon ausgehen, unsere Mitarbeitendenzahl von 14 auf ca. 25 Personen zu erhöhen.

Unsere Expansionsphase hat jetzt schon angefangen. Endlich klappt es, dass junge Leute sich bei uns bewerben, weil sie Oliver in der Geschäftsführung und mit ihm eine frische Perspektive im Unternehmen sehen. Ich komme ja noch aus der Sparte `Handwerker gelernt und selbständig gemacht‘. Ich war immer der typische Bauchentscheider. Heute wird viel betriebswirtschaftlicher gedacht. Dieses ganze Spektrum bringt Oliver bei uns rein. Das hat auch mich weitergebracht. Obwohl ich schon stramm auf die 60 zu gehe, merke ich, was wir dank Oliver als Firma für Fortschritte machen. Wir profitieren also wirklich vom dualen Studium. Das möchte ich auch gerne kleineren Firmen mitgeben, die in der Entscheidung gerade stecken, ein duales Studium anzubieten. Es ist auf jeden Fall von Vorteil!

Ein wichtiger Bestandteil des dualen Studiums am IDS sind die Praxistransferprojekte (PTPs). Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

O. Lackmann: Es wurde viel geflucht während der Studienzeit. Ich glaube, das ging allen so – egal wie groß das Kooperationsunternehmen war. Letztendlich ist es so, dass man sich an die PTPs gewöhnen muss. Der Hintergrund ist genau richtig: Die Studierenden dazu zu bringen, das Gelernte aus den Theoriephasen nicht nur am Ende des Semesters in einer Klausur auswendig hinzuschreiben, sondern den Transfer zu leisten – wie bringt mich das, was ich in den Modulen gehört habe, im Betrieb weiter?

Die PTPs haben mir auch für die Bachelorarbeit geholfen. Wenn ich überlege, ich hätte nur im ersten Semester wissenschaftliches Arbeiten gelernt und dann am Ende die Bachelorarbeit geschrieben – das wäre eine Herausforderung geworden. Was den Lernprozess beim wissenschaftlichen Arbeiten angeht, waren die PTPs sehr wertvoll.

Jetzt haben Sie Ihre Bachelorarbeit schon angesprochen. Sie haben eine sehr erfolgreiche Arbeit geschrieben, in der Sie Szenarien über das Geschäftsmodell des Unternehmens in den nächsten Jahren entwickelt haben. Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?

O. Lackmann: Da ich nach dem Abschluss erstmal Erfahrungen in einem anderen Betrieb sammeln wollte, entschied ich mich für ein Thema, das auch dann noch interessant sein sollte, wenn ich in den Familienbetrieb zurückkehre. Daraus ergab sich eigentlich unmittelbar für mich die Frage nach der Zukunft, sodass die Zukunftsanalyse Gegenstand der Bachelorarbeit wurde. In der Arbeit habe ich theoriebasiert abgeleitet, wo unser Familienunternehmen in fünf oder zehn Jahren stehen könnte. Dazu habe ich erforscht, wohin sich der Markt potentiell entwickeln würde und wie sich unsere Unternehmen entsprechend anpassen müsste, um weiterhin erfolgreich zu sein.

Inwieweit haben sich die ausgearbeiteten Szenarien bewahrheitet? Haben sich bestimmte Szenarien im Geschäftsmodell auch verändert?

O. Lackmann: Die entwickelten Szenarien liegen inzwischen sechs Jahre zurück und haben sich tatsächlich in vielen Bereichen bewahrheitet. Ich habe damals schon in der Bachelorarbeit geschrieben, dass das Thema IPTV (Internet Protocol Television), also die Übertragung von Fernsehprogrammen übers Internet und nicht über Kabel oder Satellit, deutlich an Bedeutung gewinnen wird. Das ist zurzeit bei fast allen Providern ein ziemlich großes Thema. Was sich auch ganz stark entwickelt hat, vor allem durch Corona, ist das Thema Unified Communications & Collaboration (UCC). Damit sind technische Lösungen zur standortübergreifenden Zusammenarbeit gemeint, wie beispielsweise Zoom oder Microsoft Teams. Das habe ich auch schon in der Bachelorarbeit als größte Chance notiert. Smart Home hingegen hat sich nicht so durchgesetzt – das hatte ich in der Arbeit anders vermutet. 

Nach Ihrem Bachelorabschluss haben Sie fast vier Jahre für die Sievers Group gearbeitet. Wie kam es dazu und was haben Sie aus der Zeit mitgenommen?

O. Lackmann: Es war unser Ziel, dass ich eine Zeit lang in einem größeren Unternehmen arbeite, um Erfahrung zu sammeln. Das ist geglückt. Ich habe aus dieser Zeit sehr viel Wissen und Erfahrung mitnehmen können – einerseits die Abwicklung und der Umgang mit (großen) Geschäftskunden, was mir bei der Kundenansprache im Vertrieb hilft und anderseits habe ich gelernt, wie sich große Betriebe entwickeln, was für diese wichtig ist und wie Prozesse aufgebaut werden. Das sind alles Themen, die man im Studium theoretisch lernt und die im kleinen Unternehmen oftmals nicht adressiert oder gar nicht gemacht werden (können). Bei der Sievers Group konnte ich lernen und sehen, wie ein Unternehmen ab einer gewissen Größe strukturiert sein kann. Das hilft natürlich, wenn man sein eigenes Unternehmen nach und nach ausbauen möchte. Ich würde also jedem empfehlen, das Familienunternehmen auch mal zu verlassen, um breitere Erfahrungen zu sammeln.

Dann kommen wir jetzt von der Vergangenheit wieder zurück in die Gegenwart. Wie sieht Ihr heutiger Arbeitsalltag aus, Oliver Lackmann?

O. Lackmann: Ich behaupte mal, mein Arbeitsalltag hat bisher wenig mit dem eines*r Geschäftsführers*in zu tun. Ich bin aktuell ganz klar noch im Tagesgeschäft tätig. Mein Bruder wird auch bald ins Familienunternehmen einsteigen und mich unterstützen. Unser Ziel ist es, den Vertrieb weiter auszubauen und zu professionalisieren. Dadurch wollen wir mehr Kund*innen bedienen und gleichzeitig uns als Geschäftsführung aus dem Tagesgeschäft weitestgehend zurückziehen. So wollen wir Kapazitäten schaffen, uns verstärkt mit strategischen Themen beschäftigen zu können.

Was würden Sie beide sagen, welche Faktoren sind besonders wichtig für eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge?

A. Lackmann: Das Vertrauen ist erstmal ganz wichtig. Das habe ich natürlich zu meinen beiden Söhnen, sonst würden sie auch nicht beide bei uns arbeiten. Der Weg zur Unternehmensnachfolge ist auch wichtig. Es hilft, wenn es einen feststehenden Plan gibt, damit man irgendwann beruhigt in den Ruhestand gehen kann. In unserem Fall konnte Oliver so sukzessiv in die Position reinwachsen – vor allem dadurch, dass er auch schon das duale Studium bei uns absolviert hat.

O. Lackmann: Ich stimme meinem Vater da auf jeden Fall zu! Wichtig ist aber auch, dass die Nachfolger*innen selbstständig Entscheidungen treffen dürfen. Gleichzeitig muss man natürlich selbst „Bock“ haben und sollte sich nicht in das Unternehmen reindrängen lassen. Es ist elementar, dass das aus eigenen Stücken passiert. Dann ergibt sich auch so eine Entwicklung. Bei uns war der Zeitpunkt, wann ich ins Unternehmen einsteige, auch nicht von meinem Vater gewählt, sondern meine eigene Entscheidung.

Zum Abschluss: Andreas Lackmann - fällt es Ihnen schwer, das Geschäft zu übergeben?

A. Lackmann: Ein ganz klares Nein!  Ein paar Jahre müssen sie noch mit mir leben und arbeiten, aber danach wird es mir nicht schwerfallen, weil ich weiß, dass der Betrieb in guten Händen ist.

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