Zwei Jahre nach dem dualen Studium ein eigenes Geschäftsfeld verantworten? – Tim Gravemann zeigt, wie es geht! Montag, 1. November 2021

Tim Gravemann studierte von 2012 bis 2016 den dualen Bachelor Management betrieblicher Systeme mit der Studienrichtung Betriebswirtschaft und dem Schwerpunkt Unternehmensführung. Bereits zwei Jahre später wurde er zur Geschäftsfeldleitung ernannt. Im Interview berichtet er von seinem Karriereweg und blickt auf sein duales Studium hier am Campus Lingen zurück.

Seit Beginn seiner Ausbildung zum Fachinformatiker für Systemintegration im Jahr 2008 ist Gravemann bei der pco GmbH & Co. KG beschäftigt, einem IT-Dienstleistungsunternehmen für mittelständische Unternehmen in Osnabrück. Nach seiner Ausbildung arbeitete er dort zunächst als System Engineer an der Konzeption, Optimierung und dem Aufbau von IT-Infrastrukturen. Ein Jahr später startete er sein duales Studium bei uns am Campus Lingen am Institut für Duale Studiengänge (IDS) und schloss dies mit einer erfolgreichen Bachelorarbeit zum Thema Erarbeitung von strategischen Optionen zur Verbesserung des Produktangebotes von Cloud Services für regionale, mittelständische Unternehmen ab. Im Anschluss an sein duales Studium erfolgte die Anstellung als Product Manager für Cloud Services. Schon bald darauf wurde das Geschäftsfeld Cloud und Modern Workplaces mit Gravemann in der Verantwortung gegründet, welches er bis heute als Business Development Manager innehält.

Wie sind Sie damals auf das IDS aufmerksam geworden und wieso haben Sie sich dafür entschieden, Management betrieblicher Systeme dual am Campus Lingen zu studieren?

Gravemann: Für mich war immer klar, dass ich im Anschluss an meine Ausbildung etwas studieren möchte und bei pco war es damals üblich, dass nach Ausbildungsabschluss ein Jahresvertrag folgte. Dieses befristete Jahr habe ich dann genutzt, um mich über die verschiedenen Optionen zu informieren. Meine Mutter hat mich in der Zeit auf das IDS aufmerksam gemacht. Ich habe mich dann im Internet über das IDS informiert und auch relativ schnell mit dem Studiendekan Herrn Arens-Fischer und der Leiterin der Studierendenbetreuung Katrin Dinkelborg einen Termin in Lingen vereinbart. Daraufhin habe ich ein Gespräch mit meinem ehemaligen Abteilungsleiter hier bei pco geführt und dann ging das auch alles relativ fix. Letztlich hat sich mein Unternehmen gefreut, dass ich bleibe, und ich habe mich gefreut, dass ich nebenbei studieren konnte.

Würden Sie sich heutzutage wieder für ein duales Studium entscheiden? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

Gravemann: Ich bin ganz ehrlich, es gab schon Tage, an denen ich zähneknirschend am Samstagmorgen aufgestanden bin und es verflucht habe, dass ich um 07:00 Uhr abgeholt wurde, um nach Lingen zu fahren. Ich war damals im Außendienst unterwegs und habe in der Woche meine Abende häufig in Hotels verbracht und dort meine Bücher für das Studium gewälzt. Donnerstagabend bin ich dann zurückgefahren, sodass ich entsprechend am Freitag und Samstag in die Hochschule gehen konnte. Das war teilweise schon echt herausfordernd. Nichtsdestotrotz gab es in der Summe viel mehr gute Momente, sodass ich mich gut mit dieser Herausforderung arrangieren konnte. Letztendlich hatte ich mich dann auch relativ schnell daran gewöhnt, sodass es gut funktioniert hat. Vor allem auch durch die Gemeinschaft am IDS, durch die kleinen Kursgruppen und natürlich durch die Freund*innen, die man im Laufe der Zeit dort kennengelernt hat, habe ich im Endeffekt meine Entscheidung nie bereut. Ich habe das Studium deswegen auch schon weiterempfohlen. Vor allem im Vergleich zu einem Fernstudium bietet es meiner Meinung nach viele Vorteile, weil diese Verbundenheit mit den Kommiliton*innen einen unfassbaren Mehrwert bietet. Deswegen würde ich mich auch wieder für das duale Studium in Lingen entscheiden und kein Fernstudium oder Ähnliches wählen.

Mittlerweile sind Sie Business Development Manager und verantwortlich für das Geschäftsfeld Cloud und Modern Workplace. Inwiefern hat Sie Ihr duales Studium auf die Karriere vorbereitet?

Gravemann: Meiner Meinung nach hat mich das duale Studium in zweierlei Hinsicht auf meine Karriere vorbereitet. Zum einen habe ich natürlich das ganze theoretische Wissen erlernt, was ich nun in meinem Job benötige. Ich glaube, dass gerade das Bachelorstudium erstmal so die Saat sät. Zunächst werden Saatkörner in Form von Informationen und Theorien gesät und durch stetiges Gießen wächst dann die Saat und entsprechend das Wissen. Aber dieses stetige Nachgießen funktioniert eben nur, wenn Theorie und Praxis miteinander verbunden werden. Durch den Praxisbezug im dualen Studium konnte ich die Zusammenhänge zwischen Theorie und Praxis immer besser verstehen, konnte Dinge im Unternehmen strategisch und methodisch angehen. Das Ganze ist ein stetiger Lernprozess. Man muss immer gucken, was sind meine Schwerpunktthemen und meine Ziele bei der Arbeit und welches Wissen benötige ich dafür. Das duale Studium lehrt einen, wie man diese Inhalte, die man braucht, selbstständig erkennen kann und wie man sich bestimmten Methodiken annähert.

Zum anderen ist im dualen Studium immer das Thema Belastung präsent. Wenn man eine leitende Position bekleidet und Verantwortung für Kunden und Kolleg*innen trägt, muss man ebenfalls einer hohen Belastung standhalten können und in der Lage sein, sich schnell an verschiedene Situationen anzupassen. Genau das habe ich im dualen Studium gelernt. Ich habe mir folglich sowohl wichtige Hard- als auch Soft Skills angeeignet, die mich gut auf die Karriere vorbereitet haben.

Inwieweit können Sie das erlernte Wissen aus dem Studium in Ihrem heutigen Job noch nutzen?

Gravemann: Als Verantwortlicher eines Geschäftsfeldes geht es immer um die Planung von Budgets, um EBIT-Zahlen oder generell um Kennzahlen von Cashflows usw. Ich muss im Blick haben, ob das Geschäftsfeld erfolgreich ist und was getan werden kann, um noch besser zu werden. Zudem bin ich dafür verantwortlich, dem Geschäftsfeld eine Struktur zu geben und den Mitarbeitenden zu ermöglichen, eigenverantwortlich zu arbeiten. Themen wie Führung und Organisation sowie all die wirtschaftlichen Zusammenhänge, die ich in meinem Studium behandelt und gelernt habe, sind also auch in meinem heutigen Job noch gefragt.

Haben Sie ein Modul, das Sie heute gerne noch einmal hören würden oder dessen Bedeutung Sie heute anders einschätzen?

Gravemann: Ich hatte ja gerade schon angesprochen, dass Themen wie Führung und Organisation für meinen Beruf sehr entscheidend sind. Das waren auch Schwerpunktmodule in meinem Studium und das waren Vorlesungen, die ich mir immer sehr gerne angehört habe und direkt wieder anhören würde. Ein Modul, was ich leider nie gehört habe und jetzt sofort wählen würde, wäre Projektmanagement. Aber auch Module zum Thema moderne Organisationsformen und -konzepte, wie zum Beispiel Holacracy, die es in Zukunft vielleicht ermöglichen, schneller am Markt zu agieren, Probleme zu identifizieren und Lösungen zu generieren, würde ich jetzt im Nachgang gerne wählen. Das sind Themen, die ich noch stärker in mein Geschäftsfeld einbringen könnte. Ich glaube, dass solches Wissen jetzt und auch zukünftig essenziell ist, um zu verstehen, wie Systeme und Organisationen funktionieren und welche Herausforderungen durch immer größer werdende Komplexität auf Unternehmen zukommen. Nur mit der Grundlage dieses Wissens, können wir vernünftige Entscheidungen treffen – auch wenn es keine Garantie auf Erfolg gibt. Im IT-Bereich spielt zusätzlich die zunehmende Digitalisierung eine sehr bedeutsame Rolle, aber wir merken es auch bei unseren Kunden aus anderen Branchen, dass die Digitalisierung zu disruptiven Veränderungen führt mit einem hohen Grad an Komplexität. Aus diesem Grund sind das Themen, die mich sehr interessieren. Ich würde also sicherlich heute einige Fächer anders wählen oder stärker in den Fokus nehmen, aber da ich nun nicht mehr in Lingen bin, bilde ich mich hierzu natürlich trotzdem stetig weiter. Nur so kann ich der Verantwortung gerecht werden, langfristig einen elementaren Einfluss auf den Erfolg des Unternehmens zu haben. 

Wie haben Sie die Praxistransferprojekte (PTPs) während des Studiums wahrgenommen und wie beurteilen Sie diese rückwirkend? Wurden die Ergebnisse einiger Ihrer PTPs im Unternehmen angewendet/umgesetzt?

Gravemann: Ich muss ehrlich gestehen, der allgemeine Tenor unter den Studierenden lautet, dass PTPs lästig sind. Auch für mich stellten die PTPs immer eine Herausforderung dar. Ich war damals im Vergleich zu meinen Kommiliton*innen aufgrund meiner Ausbildung stärker technisch getrieben und weniger im wirtschaftlichen Bereich tätig.  Deswegen gestaltete sich die Themensuche bei mir etwas schwieriger. Es wäre auch übertrieben zu sagen, dass alle meine PTPs einen Impact auf das Unternehmen hatten. Nichtsdestotrotz bin ich sowieso der Typ, der lieber Ausarbeitungen schreibt, anstatt eine andere Prüfung abzulegen. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass die PTPs sehr stark dazu beigetragen haben, die Theorie in die Praxis einzubringen. Meiner Meinung nach ist keine andere Prüfungsform dazu geeignet, einen vergleichbaren Wissenstransfer zu erzeugen. Das habe ich vor allem jetzt im Nachhinein erkannt. Ich kann aus diesem Grund gut nachvollziehen, dass PTPs im Studium zunächst Stress auslösen, aber im Endeffekt bringen sie einem wirklich etwas und auch dem Unternehmen, weil sie eben Theorie und Praxis vereinen. Die PTPs, in denen ich einen starken Bezug zum Unternehmen herstellen konnte, habe ich auch mit meinen Arbeitskolleg*innen geteilt und die konnten daraus dann auch etwas mitnehmen. Ich glaube, dass es sinnvoll ist, sich die PTPs in den Berufsalltag einzuplanen. Hätte ich mich damals besser organisiert, wären die PTPs auch nicht so stressig gewesen.

Wie würden Sie den Nutzen Ihrer Bachelorthesis für pco beschreiben? Haben die Ergebnisse Ihrer Thesis Ihre Arbeit bei pco geprägt?

Gravemann: Meine Bachelorarbeit und die gewonnenen Erkenntnisse kamen sehr gut bei der Geschäftsführung an. Wir haben uns danach dann auch intensiv darüber ausgetauscht und überlegt, wie wir diesen Mehrwert der Thesis nutzen und hier in der Organisation einbringen können. Eine Erkenntnis meiner Bachelorarbeit war, dass das Thema Cloud Technologien stärker in den Fokus rücken sollte. Entsprechend wurde dann das Geschäftsfeld Cloud mit mir in der Verantwortung aufgebaut. Irgendwann ist dann noch der Bereich Modern Workplace hinzugekommen. Die Erkenntnisse meiner Thesis lassen sich somit in der Strategie des Geschäftsfeldes wiederfinden und sind Teil der aktuellen Ausrichtung. Folglich ist meine Bachelorarbeit mit einer Strategieerweiterung im Unternehmen einhergegangen. Natürlich muss man sagen, dass die Technologie in den letzten fünf Jahren solche Quantensprünge gemacht hat, dass bestimmte Teile meiner Bachelorarbeit mittlerweile überholt sind. Dennoch gibt es nach wie vor theoretische Ansätze, die auch heute noch gültig sind und auf die ich mich immer noch berufe. Von daher hat die Thesis meine Arbeit hier bei pco tatsächlich stark geprägt.

Wie sah Ihr Arbeitsalltag während Ihres dualen Studiums aus und wie sieht Ihr Arbeitsalltag jetzt, als Business Development Manager für Cloud und Modern Workplace, aus?

Gravemann: Das hat sich natürlich alles einmal komplett gewandelt. Als System Engineer bin ich damals viel zu Kunden gefahren und habe aktiv IT-Infrastrukturen aufgebaut und Beratungsgespräche geführt. Meine Arbeit hat nun weniger mit rein technisch basierten Aufgaben und Beratungsgesprächen zu tun und ist mehr durch wirtschaftliche Themen geprägt: Wie können wir effizient den Markt bedienen? Wie können wir Strategien ausarbeiten und das Unternehmen auf die Zukunft ausrichten? Früher habe ich häufiger allein gearbeitet, da hatte ich meine Projekte und war eben für diese verantwortlich. Jetzt bin ich für die Strategie und Ausrichtung und den wirtschaftlichen Erfolg des Geschäftsfeldes verantwortlich. Ich arbeite aus diesem Grund viel mit dem Führungskreis und meinen Mitarbeitenden zusammen. Meine frühere Erfahrung hilft mir aber dabei, die Strategie an die Arbeitsabläufe der Mitarbeitenden anzupassen. Ich habe den Vorteil, dass ich das selbst erlebt habe und ich versuche immer, Strategie und Umsetzung in Einklang zu bringen. Früher ging es darum, den Kunden zu begeistern und jetzt geht es darum, die eigenen Mitarbeitenden zu begeistern und diese mitzunehmen und es macht sehr viel Spaß, wenn man sieht, dass das funktioniert. Ein Aspekt ist jedoch gleichgeblieben – nach wie vor versuche ich, ein herausforderndes Alltagsgeschäft zu meistern und mich gleichzeitig kontinuierlich mit neuem Wissen weiterzuentwickeln, so wie damals während meiner dualen Studienzeit.

An welche Meilensteine in Ihrer Karriere erinnern Sie sich denn besonders gerne zurück?
Gibt es ein Projekt, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Gravemann: Es gibt eine Situation, die mir besonders in Erinnerung geblieben ist: mein zehnjähriges Jubiläum bei pco. Ich bin damals gerade in den Führungskreis aufgenommen worden und habe dann anlässlich meines Jubiläums ein Schriftstück von meinem ehemaligen Vorgesetzten erhalten. Die Anerkennung, die ich in diesem Moment bekommen habe und seine geschriebenen Worte haben mir verdeutlicht, dass ich den richtigen Weg für mich gewählt habe, dass ich mit meiner Arbeit hier wirklich etwas bewirke und ich etwas tue, das Anklang findet. Das hat mir ein sehr gutes Gefühl gegeben. Riesenprojekte sind wichtig und machen viel Spaß, aber solche Gesten haben für mich nochmal einen ganz anderen Wert.

Was finden Sie an Ihrem Beruf denn besonders spannend?

Gravemann: Ich finde es extrem spannend, dass wir in einem Markt unterwegs sind, der so unvorhersehbar und schnelllebig ist. Meine Arbeit ist vielseitig und verlangt von mir sowohl Kreativität als auch einen gesunden Pragmatismus, um schnell und gleichzeitig effektiv sowie innovativ handlungsfähig zu sein. Die größte Herausforderung besteht darin, sich am Markt zu behaupten und zu manifestieren. Mir macht es unfassbar viel Spaß, als Teil des Führungskreises an der Gesamtstrategie mitzuarbeiten und das Geschäftsfeld weiterzuentwickeln und all das gemeinsam mit meinem Team umzusetzen. Themen wie die strategische Ausrichtung und die Marktentwicklung sind sehr komplex und haben mich schon immer gereizt. Letztendlich sind das Themen, die man nie zu Ende gedacht hat, sondern an denen man kontinuierlich weiterarbeitet. Das finde ich klasse!

Welchen Rat würden Sie den Studieninteressierten und den dual Studierenden mit auf den Weg geben wollen, um das MBS-Studium gut zu meistern?

Gravemann: Interessierte sollten sich im Vorfeld genau überlegen, was sie wollen, thematisch und karrieretechnisch und sich darüber im Klaren sein, was es bedeutet, dual zu studieren. Auch wenn man nicht alles im Vorhinein ermessen kann. Zudem ist es wichtig, ein berufliches und privates Umfeld zu haben, von dem man bei seinen Plänen unterstützt wird. Bei mir hat es damals gepasst. Ich hatte immer den Support von allen um mich herum. Nichtsdestotrotz ist es im ersten Studienjahr eine Umstellung, oft auch eine Herausforderung, am Freitagabend und Samstagmorgen in der Hochschule zu sitzen. Irgendwann entwickelt sich aber eine echte Gemeinschaft unter den Studierenden und dann freut man sich darauf, sich in Lingen wiederzutreffen. Man findet schnell den Bezug zu Gleichgesinnten. Dieses Teamgefühl ist etwas, was ich als großen Mehrwert betrachte und das ist genau das, wodurch sich das IDS meiner Meinung nach auszeichnet.

 

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