Zeitreise: Die Entwicklung des dualen Studiums in Lingen Freitag, 14. Mai 2021

„In Lingen habe ich auch dual studiert“, haben bestimmt schon einige gehört, wenn über das duale Studium gesprochen wurde. Das liegt sicher auch daran, dass das duale Studium in Lingen schon auf eine über 30-jährige Entwicklung zurückblicken kann. Eine ganz schön lange Zeit, aber was ist in den letzten Jahren eigentlich alles so passiert? Wie hat sich das duale Studium grundsätzlich und wie in Lingen entwickelt? Antworten darauf gibt dieser Beitrag.

1988 startete die Erfolgsstory des dualen Studiums in Lingen mit der Gründung der Berufsakademie Emsland. Sie ist eine der ältesten Berufsakademie Niedersachsens. Vor über 30 Jahren waren duale Studiengänge im Norden Deutschlands quasi unbekannt und ein ganz neues Phänomen. Seitdem hat sich viel verändert. Das erste Wintersemester 1989/1990 in Lingen begann mit 20 Studierenden im Studiengang Wirtschaftsinformatik. Inzwischen haben etwa 3.500 Studierende ihren Abschluss in Lingen gemacht. Zurzeit studieren über 1.050 dual Studierende am Campus Lingen in acht verschiedenen Studiengängen.

Prof. Dr.-Ing. Arens-Fischer, Studiendekan und Leiter des Instituts für Duale Studiengänge, beschreibt zur Darstellung der Entwicklung des dualen Studiums und des IDS gerne vier Stufen – vier größere Neuausrichtungen:

  1. Das duale Studium begann in Lingen mit der Gründung der Berufsakademie Emsland. Die grundsätzliche Idee des dualen Studiums, nämlich eine Ausbildung mit Inhalten, vergleichbar eines Studiums, zu veredeln und das Niveau anzuheben, wurde dabei schon in den siebziger Jahren in Baden-Württemberg geboren. Es heißt, dass die Idee zur Gründung der Berufsakademie Emsland in Gesprächen zur Industrieansiedlung eines baden-württembergischen Unternehmens angestoßen wurde. Zwar konnte das Unternehmen nicht von einer Ansiedlung in Lingen überzeugt werden, die Überlegungen zur Gründung einer Berufsakademie aber blieben und setzen sich durch. Zumindest soweit es der damalige rechtliche Rahmen zuließ – zu Beginn hatte die Berufsakademie den Status einer Ergänzungsschule, also eine Erweiterung der Sekundarstufe II. Der Gedanke und das Leitbild dieser Ausbildungs- und Studienform in Niedersachsen setzte sich schnell fort und weitere Berufsakademien wurden gegründet.
  2. Acht Jahre später, 1996, wurde ein Meilenstein erreicht: Die Landesregierung in Niedersachsen verabschiedete ein Gesetz, dass die Leistungen des dualen Studiums anerkannte und den Absolventinnen und Absolventen einen eigenen Abschluss, den Berufsakademie-Abschluss, ermöglichte. Darüber hinaus wurden die Leistungen auf ein Fachhochschulstudium anerkannt und es konnte ein Diplomabschluss an einer Fachhochschule erworben werden. Die Berufsakademien waren angekommen im Tertiären Bildungsbereich neben Hochschulen und Universitäten. Währenddessen entdeckten auch immer mehr Unternehmen das spezielle Konzept des dualen Studiums für sich und ihre Personalentwicklung. Die Fachhochschule Osnabrück erkannte sehr schnell die wachsende Bedeutung des dualen Studiums und es kam zu einer Kooperation zwischen der Fachhochschule Osnabrück und der Berufsakademie Emsland.
  3. Nur zwei Jahre später begann die dritte, eine über alle Studiengänge und -formen greifende Reform des Studiensystems: der sogenannte Bologna-Prozesses mit der Einführung der Bachelor- und Masterabschlüsse in Europa. Durch die Veränderungen konnten für die dualen Studiengänge eigenständige Bachelor- und Masterprofile entwickelt werden. Vom Sommer 2004 bis zum Sommer 2011 waren die Studiengänge der Berufsakademie nach internationalem Standard akkreditiert. 2004 war sie die erste Berufsakademie in Deutschland, die den Bachelor-Abschluss in drei verschiedenen Studiengängen verlieh. Im Laufe der Jahre führten die Berufsakademie und die Hochschule Osnabrück ihre Angebote in Lingen unter dem Dach des Departments für Duale Studiengänge zusammen. So wurden bereits 2008 die Studiengänge Management betrieblicher Systeme und Engineering technischer Systeme als duale Studiengänge der Hochschule Osnabrück akkreditiert. Die weiteren Studiengänge folgten in den nächsten Jahren. Mit der Gründung der Fakultät Management, Kultur und Technik (2011) wurde das Department zum Institut für Duale Studiengänge. Bis heute wird der Kerngedanke, die akademische Qualifizierung besonders gut auf die beruflichen Anforderungen auszurichten, kontinuierlich weiterentwickelt. Dazu gehört insbesondere die Theorie-Praxis-Verzahnung, die bei dualen Studiengängen im Mittelpunkt steht. Darüber hinaus wurde am IDS stets der Ausbau der angebotenen Studiengänge und -richtungen vorangetrieben. Das duale Studium unterstützt die Akademisierung vieler Berufe, die vor neuen Herausforderungen stehen. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist der duale Studiengang Pflege, der für Lingen auch den Einstieg in Studienfelder des Gesundheitssystems bedeutete.
  4. Die Entwicklung des dualen Studiums konzentriert sich aber nicht nur darauf, immer neue duale Studiengänge zu schaffen, sondern entwickelt auch Methoden des Studierens immer weiter. Ganz wesentlich ist dabei die Verzahnung der Lernorte Hochschule und Unternehmen/Praxiseinrichtungen. Die Verzahnung ist eines der wichtigsten Kriterien, um einen Studiengang seitens des Gesetzgebers als dual akkreditiert zu bekommen. In Akkreditierungsverfahren wird das duale Studium in Lingen dafür immer besonders gelobt. Das liegt sicher auch daran, dass die systematische Vernetzung des individuellen Ausbildungs- und Arbeitsplatzes nicht nur mit dem Ziel vorgenommen wird, Lehrinhalte auf die Praxis anzuwenden und dabei Kompetenzen zu entwickeln, sondern auch den jeweiligen Arbeitsplatz weiter zu verbessern. Die Theorie-Praxis-Relation wird also auch dazu genutzt, den Platz mit seinen Organisationsstrukturen und -prozessen, den angewendeten Konzepten, Methoden und Instrumenten sowie Technologien stetig auf den neusten Stand des Wissens zu bringen. Dies funktioniert auch in den dualen Masterstudiengängen. Die Studierenden greifen dabei Problemstellungen aus ihrer Berufspraxis auf und versuchen auf dem aktuellen Stand der Forschung Lösungen zu erarbeiten (Master: Reflexionsorientierte Transferstudien; Bachelor: Praxistransferprojekte). Die Ergebnisse sind dabei für Studierende, Unternehmen und Hochschule gleichermaßen spannend - und hier wird deutlich, dass das duale Studium auch einen wichtigen Teil zum Wissenstransfer zwischen Hochschule und Betrieben leistet.

Das duale Studium ist aber noch lange nicht am Ende seiner Entwicklung angekommen. So wird durch unser Institut alle zwei Jahre die Konferenz zur Zukunft des dualen Studiums am Campus Lingen - bzw. dieses Jahr via Zoom – durchgeführt. Dieses Jahr wurden mit über 150 Teilnehmenden die Zukunftsperspektiven des dualen Studiums diskutiert und die Teilnehmenden waren sich einig, dass noch viel Potenzial darauf wartet, von den Studierenden und den Kooperationspartnern erschlossen zu werden.