Komplexes Fallverstehen II – Versorgungsbereiche der Hebamme

Fakultät

Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (WiSo)

Version

Version 1 vom 13.11.2024.

Modulkennung

22B7023

Niveaustufe

Bachelor

Unterrichtssprache

Deutsch

ECTS-Leistungspunkte und Benotung

5.0

Häufigkeit des Angebots des Moduls

nur Wintersemester

Dauer des Moduls

1 Semester

 

 

Besonderheiten des Moduls

Einordnung in berufsgesetzliche Vorgaben:
HebStPrV Anlage 1 I.1.- 3.
HebStPrV Anlage 1 II.1.- 5
HebStPrV Anlage 1 III.1.- 3.
HebStPrV Anlage 1 III.2
HebStPrV Anlage 1 III.3
HebStPrV Anlage 1 VI.1
HebStPrV Anlage 1 VI.2
HebStPrV Anlage 1 VI.5

Anteilige Einordnung in Europarechtliche Vorgaben an die Ausbildung von Hebammen, Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen:
Anhang V.5, 5.5.1 A. a. und b.

Kurzbeschreibung

Das Modul fokussiert auf die Besonderheiten der Versorgungsbedarfe von Frauen und Familien in besonderen und belastenden Lebenssituationen. Eine systemische Perspektive verdeutlicht die Rückbezüglichkeit sozialer, psychoemotionaler und körperlicher Zusammenhänge und ihre Folgen für den Übergang zur Mutterschaft und die Familienentwicklung als auch für die Gesundheit von Mutter und Kind. In diesem Zusammenhang kommt der Entwicklung eines beruflichen Selbstverständnisses für eine sektorenübergreifende Versorgung, der Arbeit in Kooperationsmodellen und der Netzwerkarbeit inhaltlich und strukturell Bedeutung zu. 

Die Fallarbeit mithilfe von wissenschaftlichen Analysen persönlich erlebter herausgehobener kritischer Fälle aus dem gesamten Handlungsspektrum von Hebammen ist in diesem Modul Grundlage für eine Erweiterung und Vertiefung der Fall- und Verstehenskompetenz der Hebamme im Sinne eines hermeneutischen Fallverstehens. Am Fall werden Erfahrungen mit fachlichem und überfachlichem Wissen multiperspektivisch und kontextsensibel aufgearbeitet. Spannungsfelder werden identifiziert, analysiert und wissenschaftlich begründbare Lösungen der Problemlagen in Szenarien erprobt. Der Fall wird wissenschaftlich begründet rekonstruiert. Im Sinne des forschenden Lernens, werden Handlungsprinzipien und Handlungsspielräume theoretisch (weiter-) entwickelt und wissenschaftliche Aussagen zum Berufsfeld abgeleitet, um die wissenschaftsbasierte berufliche Kompetenz zu fundieren und weiterzuentwickeln. 

Lehr-Lerninhalte

1. Schwangere Frauen und Familien in besonderen Situationen
  1.1 Schwangere Frauen mit Behinderung begleiten
  1.2 Chronisch erkrankte Frauen während der Schwangerschaft begleiten
  1.3 Schwangere Frauen in psychosozialen Problemlagen und benachteiligenden     Lebenssituationen begleiten (bspw. Abusus, Armut, Gewalt) 
  1.4 Begleitung von schwangeren Frauen bei Fortsetzung der Schwangerschaft mit infauster Diagnose des Kindes
  1.5 Begleitung von schutzsuchenden Frauen und Familien 
  1.6 Begleitung von Frauen mit Differenzerfahrungen aufgrund von Alter, Gender, sexueller Identität, Migration
2. Methoden wissenschaftlicher Fallanalyse
  2.1 Fallanalyse aus hermeneutischer Perspektive 
  2.3 Rekonstruktionslogische Fallanalyse 
  2.4 Biographische Fallarbeit
3. Familien- und nutzerinnenorientierte Versorgungskonzepte
  3.1 Selektive Prävention
  3.2 Hebammen und Familienhebammen im System der Frühen Hilfen
  3.3 Kooperationsmodelle
  3.4 Netzwerkarbeit

Gesamtarbeitsaufwand

Der Arbeitsaufwand für das Modul umfasst insgesamt 150 Stunden (siehe auch "ECTS-Leistungspunkte und Benotung").

Lehr- und Lernformen
Dozentengebundenes Lernen
Std. WorkloadLehrtypMediale UmsetzungKonkretisierung
60SeminarPräsenz-
Dozentenungebundenes Lernen
Std. WorkloadLehrtypMediale UmsetzungKonkretisierung
45Literaturstudium-
45Veranstaltungsvor- und -nachbereitung-
Weitere Erläuterungen

Die Lehr- und Lernformen fokussieren auf Wissen aneignende, Studierenden aktivierende und lernbegleitende Lehr-Lernformen. Vor dem Hintergrund der Inhalte und der Ziele des Moduls sowie eines kontinuierlichen Praxis- und Wissenschaftsbezuges sind folgende Methoden geeignet / zu empfehlen: Gruppenarbeit, Einzelarbeit, Textarbeit, Diskussionen, Vorträge, studentische Beiträge, Fallarbeit.

Unbenotete Prüfungsleistung
  • regelmäßige Teilnahme
Prüfungsdauer und Prüfungsumfang

Regelmäßige Teilnahme: Anwesenheit i.d.R. an mind. 80% der Veranstaltung (siehe Allgemeiner Teil der Prüfungsordnung)

Empfohlene Vorkenntnisse

Formale Voraussetzungen für die Zulassung zu den Prüfungsleistungen in diesem Modul sind: der Erwerb von 70 LP im ersten Studienabschnitt, das erfolgreiche Absolvieren der Praxismodule 1 und 2 sowie das erfolgreiche Absolvieren folgender Theoriemodule: „Biomedizinische Grundlagen in der Entwicklungsdynamik der physiologischen Schwangerschaft“, „Die Schwangere im physiologischen Verlauf in der Hebammenversorgung“, „Die Gebärende im physiologischen Verlauf in der Hebammenversorgung“ und „Die Frau und das Kind nach der Geburt im physiologischen Verlauf in der Hebammenversorgung“ (Prüfungsordnung im Bachelorstudiengang Hebammenwissenschaft § 4).

Wissensverbreiterung

Die Studierenden

  • können die Bedeutung und die Herausforderungen unterschiedlicher Lebenslagen für die reproduktive Lebensphase erkennen und beschreiben
  • können die Aufgaben und Kompetenzen von Hebammen und Familienhebammen innerhalb der Frühen Hilfen beschreiben
  • die Studierenden identifizieren fallbezogen den Versorgungsbedarf von Frauen und Familien in besonderen und belastenden Lebenssituationen
  • identifizieren soziale Einflussfaktoren auf Zugänge und Inanspruchnahme von Hebammenversorgung und Familienhebammenversorgung

Wissensvertiefung

Die Studierenden

  • sind in der Lage fragwürdige Fälle nach wissenschaftlichen Methoden unter Einbeziehung von Theorien, Modellen und Konzepten sowie aktueller empirischer Forschung, Standards und Leitlinien und auf der Basis grundlegender rechtlicher, ethischer und ökonomischer Aspekte zu analysieren und sie zu erklären
  • können Kooperationsformen unterscheiden und Faktoren gelingender Kooperation und Netzwerkpartnerschaften in die Entwicklung von Versorgungsstrukturen einbeziehen

Wissensverständnis

Die Studierenden

  • können fallbezogen den systemischen Kontext in der Versorgung von Frauen und Familien erkennen und berücksichtigen
  • reflektieren durch Perspektivwechsel andere Sichtweisen und bringen diese in die Analyse ein
  • sind in der Lage aktuelle Entwicklungen im Gesundheits- und Hebammenwesen fallbezogen zu diskutieren
  • aktivieren methodisch geleitet Vorwissen und Erfahrung

Nutzung und Transfer

Die Studierenden

  • sind in der Lage eigenständig Ergebnisse aus Fallanalysen durch Reflexion und begründete Generalisierung auf zukünftige Praxissituationen zu übertragen
  • sind in der Lage selbstständig Lösungen für komplexe Situationen zu entwickeln
  • sind in der Lage in komplexen und herausfordernden beruflichen Handlungssituationen besonnen zu reagieren, sind handlungsfähig und handlungswillig
  • sind in der Lage Frauen und Familien in belasteten Lebenssituationen zu versorgen
  • sind in der Lage sich in benachteiligenden Situationen für die Rechte von Frauen einzusetzen

Wissenschaftliche Innovation

Die Studierenden

  • identifizieren Fragestellungen aus dem Fallbezug, leiten Hypothesen ab und kommen über wissenschaftliche Methoden zu Antworten, die sie in Handlungsalternativen für ihre Berufspraxis überführen
  • leiten von den Ergebnissen einer wissenschaftlichen Fallanalyse Forschungsbedarf für die empirische Hebammenforschung ab

Kommunikation und Kooperation

Die Studierenden

  • organisieren sich selbstständig in der Gruppe um kooperativ, arbeitsteilig, effektiv und lösungsorientiert gemeinsam an einem Fall zu arbeiten
  • sind in der Lage fallbezogen Störungen der Kommunikation zu identifizieren und mithilfe von Kommunikationsmodellen Lösungen zu entwickeln
  • argumentieren fachwissenschaftlich
  • können sich der Fachtermini bedienen

Wissenschaftliches Selbstverständnis / Professionalität

Die Studierenden

  • erkennen die Bedeutung stetiger Verbesserung durch Analyse und Reflexion für die lebenslange berufliche Lern- und Anpassungsentwicklung
  • reflektieren ihr eigenes berufliches Handeln und sind bereit dieses jederzeit kritisch zu evaluieren
  • können den eigenen Bedarf an Fortbildung, Fachberatung, kollegialer Beratung oder Supervision ableiten
  • können den Entwicklungsbedarf der eigenen Profession ableiten
  • integrieren die diversitäts- und familienorientierte Versorgung von Frauen in belasteten Lebenssituationen in ihr berufliches Selbstverständnis

Literatur

Die Literaturliste umfasst Vorschläge, die durch die Lehrenden ausgewählt, aktualisiert und erweitert werden:

Bolay, E., Iser, A., Weinhardt, M. (2015): Methodisch Handeln – Beiträge zu Maja Heiners Impulsen zur Professionalisierung der Sozialen Arbeit. Wiesbaden: Springer

Boos-Nünning, U. u.  Karakaşoğlu, Y. (2009): Viele Welten leben

Zur Lebenssituation von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund. Münster: Waxmann

Borde, T. u. David, M. (2008): Frauengesundheit, Migration und Kultur in einer globalisierten Welt. Frankfurt am Main: Mabuse-Verlag

Breitenbach, E., Hoff, W., Toppe, S. (Hrsg.) (2020): Geschlecht und Gewalt: Diskurse, Befunde und Perspektiven der erziehungswissenschaftlichen Geschlechterforschung. Opladen; Toronto: Verlag Barbara Buderich

Brandhorst, A., Hildebrandt, H., Luthe, E.-W. (2017): Kooperation und Integration – das unvollendete Projekt des Gesundheitssystems. Wiesbaden: Springer VS

Bretschneider, F., Jossin, A., Koloma Beck, T., Schönpflug, D. (Hrsg.) (2020): Gewalt vor Ort: raum – Körper- Kommunikation. Frankfurt; New York: Campus Verlag

Bundesverband behinderter und chronisch kranker Eltern – bb e. V. (Hrsg.) (2019): Elternassistenz - Unterstützung für Eltern mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen: Ratgeber für die Beantragung und Organisation personeller Hilfen zur Betreuung und Versorgung der Kinder. Ratgeberreihe – Band 4. 2., korrigierte Auflage. Verfügbar unter: www.behinderte-eltern.de/pdf/bbe_Ratgeber_Elternassistenz_PDF-UA.pdf 

Clausen, J. u. Herrath, F. (Hrsg.) (2013): Sexualität leben ohne Behinderung: das Menschenrecht auf sexuelle Selbstbestimmung. Stuttgart: Kohlhammer

David, M., Borde, T., Kentenich, H. (Hrsg.) (2017): Migration – Frauen – Gesundheit: Perspektiven im gesellschaftlichen Kontext. 2. Auflage. Frankfurt am Main: Mabuse-Verlag

 

Ethnomedizinisches Zentrum (Hrsg.) (2018): Schutz und Sicherheit vor Gewalt für geflüchtete Frauen, Männer und Kinder in Deutschland. Berlin: Verlag für Wissenschaft und Bildung

Fischer, V. u. Springer, M. (2011): Handbuch Migration und Familie: Grundlagen für die Soziale Arbeit mit Familien. Schwalbach am Taunus: Wochenschau Verlag

Griese, B. u. Griesehop, H.R. (2007): Biographische Fallarbeit. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Hermes, G. (2004): Behinderung und Elternschaft leben- kein Widerspruch: eine Studie zum Unterstützungsbedarf körper- und sinnesbehinderter Eltern. Neu-Ulm: AG-SPAK-Bücher

Hahn, M. u. Sandner, E. (2013): Kompetenzprofil Familienhebammen. Köln: Nationales Zentrum Frühe Hilfen (Hrsg.) 

Hermes, G. (2003): Zur Situation behinderter Eltern: Unter besonderer Berücksichtigung des Unterstützungsbedarfs bei Eltern mit Körper- und Sinnesbehinderungen. Fachbereich Erziehungswissenschaften der Philipps-Universität Marburg: Marburg (Diss.)

Hülsken-Giesler, M. (2016): Rekonstruktive Fallarbeit in der Pflege: Methodologie Reflexion und praktische Relevanz für Pflegewissenschaft, Pflegebildung und direkte Pflege. Universitätsverlag Osnabrück: V & R unipress

Kollip, P. (2016): Handbuch Geschlecht und Gesundheit: Männer und Frauen im Vergleich. Bern: Hofgrefe

Lamnek, S., Luedtke, J, Ottermann, R., Vogl, S. (2013): Tatort Familie: häusliche Gewalt im gesellschaftlichen Kontext. Wiesbaden: Springer

Lange, U. (2017): Chronische Erkrankung und Geburt-Erleben und Bewältigungshandeln betroffener Mütter. Osnabrück: Hochschule Osnabrück

Lange, U. u. Liebald C. (2013): Leitfaden für Kommunen. Der Einsatz von Familienhebammen in Netzwerken Früher Hilfen. Köln: Nationales Zentrum Frühe Hilfen (Hrsg.)

Machleidt, W., Kluge, U., Sieberer, M. G., Heinz, A. (Hrsg.) (2018): Praxis der interkulturellen Psychiatrie und Psychotherapie: Migration und psychische Gesundheit. München: Elsevier Verlag

Marzinzik, K., Nauhert, A., Walkenhorst, U. (Hrsg.) (2010): Kompetenz und Kooperation im Gesundheits- und Sozialbereich. Münster: LIT

Nakhla, D., Eickhorst, A., Cierpka, M. (2018): Praxishandbuch für Familienhebammen

Arbeit mit belasteten Familien. Bücher für Hebammen Band 6.  3., unveränderte Auflage. Frankfurt am Main: Mabuse

Ortland, B. (2020): Behinderung und Sexualität: Grundlagen einer behinderungsspezifischen Sexualpädagogik. Stuttgart: Kohlhammer

Pieper, I., Frei, P., Hauenschild, K., Schmidt-Thieme, B. (2014): Was der Fall ist. Wiesbaden: Springer

Rettig, H., Schröder, J., Zeller, M. (2017): Das Handeln von Familienhebammen- Entgrenzen, abgrenzen, begrenzen. Weinheim: Beltz

Rost, K. (2015): Wenn ein Kind nicht lebensfähig ist. Göttingen: V&R unipress

Schlüter-Cruse, M. (2019): Die Kooperation freiberuflicher Hebammen im Kontext Früher Hilfen. Osnabrück: Hochschule Osnabrück

Schrems, B. (2019): Fallarbeit in der Pflege. Wien: facultas Universitätsverlag 

Schuss, U. u. Blank, R: (2018): Qualitätsorientierte interprofessionelle Kooperation (QuiK)

Pflegefachkräfte und Mediziner im Fokus. Bern: Hogrefe

Ziegenhein, U., Schöllhorn, A., Künster, A.K., Hofer, A., König, C., Fegert, J.M. (2010): Guter Start ins Kinderleben. Werkbuch Vernetzung. Chancen und Stolpersteine interdisziplinärer Kooperation und Vernetzung im Bereich Früher Hilfen und im Kinderschutz, 3. Aufl., Köln: NZFH 

Zusammenhang mit anderen Modulen

Fallbezogen mobilisiert das Modul Inhalte aus dem gesamten Studienverlauf. Die Fallanalytischen Methoden dieses Moduls fördern das berufliche Selbstverständnis als reflektierte Praktiker*in und bahnen Möglichkeiten der Weiterentwicklung der Profession an. Damit ergänzt das Modul das parallele Modul „Hebamme sein – berufliche Identitäts- und Entwicklungsprozesse“ um die hermeneutische Fallkompetenz. Die Kompetenzen bereiten auf die eigenständige Qualifizierungsarbeit zum Abschluss des Studiums vor.

Verwendbarkeit nach Studiengängen

  • Hebammenwissenschaft
    • Hebammenwissenschaft B. Sc. (01.09.2021)

    Modulpromotor*in
    • Hellmers, Claudia
    Lehrende
    • Hellmers, Claudia
    Weitere Lehrende

    Dozent*innen für: Hebammenwissenschaft