„Es gibt keine rassimusfreien Räume. Aber es braucht rassismuskritische Perspektiven, um Rassismus erkennen, benennen und proaktiv dekonstruieren zu können.“ Mittwoch, 13. September 2023

Bestseller-Autorin und Speakerin Tupoka Ogette über den Umgang von Institutionen und der Gesellschaft mit einem systemisch verankerten Problem.
Wie können Institutionen wie die Hochschule einen rassismuskritischen Ansatz leben? Anlässlich des 375-Jubiläums des Westfälischen Friedens lud die AG Rassismus der Hochschule Osnabrück gemeinsam mit dem Welcome@UOS-Projekt der Universität Osnabrück Tupoka Ogette am 12. September zu einem Vortrag und einer Diskussion zu diesem Thema ein. Ogette setzt sich seit über 10 Jahren als Speakerin, Podcasterin und Bestsellerautorin für einen neuen Umgang mit Diskriminierung, insbesondere Rassismus ein. Im Fokus ihrer Arbeit steht dabei nicht ein Rassismus, der offensichtlich als solcher erkannt und auch benannt werden kann, sondern ein systemischer Rassismus, der unbewusst in der Gesellschaft verankert ist: „Ich beschäftige mich mit dem Rassismus, der in uns allen sitzt. Der, der auch mit einem Lächeln einherkommen kann und dennoch so wirkmächtig sein kann, wie ein Schlag in die Magengrube. Er ist schwerer zu dekodieren, verstehen und nachzuvollziehen, zu begreifen und zu erkennen.“ Diese Art der Diskriminierung zu erkennen ist schwer, so Ogette, weil die Menschen und Institutionen, die sie ausüben, sich nicht dessen bewusst sind. Ogette ermutigt dazu, diese Problematik zu thematisieren und zu lernen, darüber zu sprechen. Traditionen und Bücher sollten neu bewertet werden und jede und jeder sollte hinterfragen, wie Medien und stereotypische Bilder die eigenen Sichtweisen prägen.
Was bedeutet dies für Bildungseinrichtungen wie die Hochschule?
Für Ogette beginnt der Weg von Bildungsorganisationen zum rassismuskritischen Denken mit einer Reflexion der eigenen Strukturen. Sie sollten sich ihre Rolle als wichtige Gestalter der Gesellschaft bewusst machen: „Institutionen haben Macht. Sie normieren und bereiten Menschen auf die Gesellschaft vor. Individuen, die aus- und weiterbilden, haben große Verantwortung. Was für Lehrbücher werden geschrieben und genutzt? Welche Sprache und Bilder kreieren Wirklichkeit, Wer schreibt über Wen, Wer spricht für Wen? Wer wird als lernende Person mitgedacht, angesprochen oder auch nicht? Damit neue Geschichten erzählt werden können, müssen sich alteingesessene Institutionen wie die Hochschule selbstkritisch beleuchten.“ Entscheidend dafür ist, so Ogette, dass BIPoC (Akronym für: Black People, Indigenous People and People of Colour) und ihre Diskriminierungserfahrungen an diesen Einrichtungen gehört und beachtet werden.
Bildungseinrichtungen sollten sich fragen, welche Konsequenzen aus solchen Erfahrungen resultieren und wie Aufarbeitung geleistet werden kann. Sie sollten auch kritisch reflektieren, ob BIPoC an wichtigen Entscheidungen in der Hochschule, wie der Konzeption von Lehrplänen und der Auswahl des Unterrichtsmaterials beteiligt sind. Außerdem ist es wichtig, dass Bewusstsein dafür herrscht, dass Rassismus überall vorhanden ist und nicht nur dort, wo bereits darüber gesprochen wird. Denn die Beurteilung, ob Diskriminierung an einer Bildungseinrichtung vorkommt, wird oft an der Selbsteinschätzung der Betroffenen festgemacht. Darin liegt ein Problem, sagt Ogette: „Selbsteinschätzung geht ein Prozess voraus – nur weil ich davon betroffen bin, heißt es nicht, dass ich Rassismus auch als diesen benennen kann“.
Im Anschluss an den Vortrag von Tupoka Ogette stellte die AG Rassismus der Hochschule Osnabrück eine hochschulweite Umfrage zu Diskriminierungserfahrungen von Studierenden und Mitarbeitenden an der Hochschule vor. Dabei zeigte sich, dass auch Hochschulmitglieder solche Erfahrungen machen. Andreas Bertram, Präsident der Hochschule, äußerte sich dazu, wie mit den Ergebnissen umgegangen wird: „An der Umfrage sehen wir: auch die Hochschule ist von Diskriminierung betroffen. Für uns ist wichtig, dies jetzt in den Diskurs zu bringen, damit jeder und jedem an der Hochschule bewusst ist, dass diese Probleme bestehen, dass wir sie sehen und sie ernst nehmen. Doch die Sensibilisierung für einen rassismuskritischen Ansatz und das Sprechen über Diskriminierung ist etwas, das nicht nur von oben vorgegeben werden kann, sondern etwas, für das sich die Hochschulgemeinschaft von innen heraus einsetzen und stark machen muss“. Nach der Vorstellung der Umfrage bekamen die Teilnehmenden der Veranstaltung die Gelegenheit, ihre Fragen an Ogette und die AG Rassismus der Hochschule zu richten.