40 Jahre Betriebswirtschaft im Gesundheitswesen (BIG) an der Hochschule Osnabrück: In dieser Bandbreite bundesweit einzigartig Freitag, 26. November 2021

Prof. Dr. Julia Oswald

Der Bachelorstudiengang zeichnet sich seit Jahren durch seinen hohen Praxisbezug, zahlreiche Kooperationspartner und ein großes Netzwerk aus Absolventinnen und Absolventen aus. Mit der BIG-Studiengangbeauftragten Prof. Dr. Julia Oswald, die selbst als BIG-Studentin an der Hochschule startete, sprechen wir über den Erfolg des Studiengangs, Frauen in Führungspositionen und die Herausforderung der Digitalisierung.

40 Jahre BIG sollten bei der bevorstehenden Jahresfachtagung Ende November nachträglich gefeiert werden. Nun macht die Corona-Pandemie dem Studiengang auch in diesem Jahr einen Strich durch die Rechnung. Die Veranstaltung wurde abgesagt. Trotzdem gefragt: Was macht aus Ihrer Sicht den Erfolg dieses Studiengangs aus?

Julia Oswald: An erster Stelle ist sicherlich das BIG-Konzept an sich zu nennen. Der aufbauende Wechsel von Theorie – Praxis – Theorie – Praxis mit dem integrierten Praxisprojekt von 16 Wochen im vierten Semester verschafft dem Studiengang in der Praxis ein sehr hohes Ansehen. Zweitens spielen auch die Rahmenbedingungen an der Hochschule eine sehr wichtige Rolle. Sie sichern die Umsetzung des BIG-Konzepts ab. Der Vorteil für BIG im Vergleich zu allen anderen gesundheitsspezifischen Managementstudiengängen auf dem Hochschulmarkt ist, dass die Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit Ausnahme der Medizin die gesamte Bandbreite an Studiengängen im Gesundheitswesen abdeckt. Das ermöglicht ein übergreifendes Arbeiten und damit viele Synergieeffekte, von denen alle Studiengänge profitieren. Diese differenzierten Strukturen gibt es bisher nirgends in Deutschland. Aufgrund dieser Entwicklung können wir bei BIG auch auf Professoren und Professorinnen mit den unterschiedlichsten Expertisen zurückgreifen – sowohl in Bezug auf die klassische BWL als auch im Hinblick auf branchenspezifische Schwerpunkte.

Gibt es weitere Punkte, die dem Erfolg von BIG Vorschub leisten?

Ja, als dritter Punkt ist die BIG-Arbeitsgruppe als wichtiger Erfolgsfaktor zu nennen. Seit mehr als 40 Jahren engagieren sich die Kolleginnen und Kollegen stark im Dialog und bei der Akquise von Kooperationspartnern sowie in der Betreuung der Studierenden. Und schließlich unsere Studierenden selbst, die durch ihren unterschiedlichen schulischen und zum Teil beruflichen Hintergrund sowie durch ihre Persönlichkeiten den Studiengang bereichern und dann auch als Alumni BIG treu bleiben und den Studiengang weiterempfehlen. Unsere Alumni sind letztlich der beste Beweis dafür sind, dass wir mit unserem Konzept richtig liegen.

Über die Jahre ist ein Netzwerk aus rund 300 Kooperationspartnern und mehr als 1.600 Absolventinnen und Absolventen entstanden. Wie wertvoll ist dieses Netzwerk?

Das Netzwerk ist eine sehr wichtige Säule im Gesamtkonstrukt. Ohne unsere zahlreichen Kooperationspartner könnten wir unseren Studierenden nicht jedes Semester ein Praxisprojekt ermöglichen. Wir gewinnen über das Netzwerk zudem externe Referenten und Dozenten. Für die Alumni ist das Netzwerk wiederum wertvoll, weil es den fachlichen Austausch untereinander im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit sehr unkompliziert ermöglicht – wovon ja letztlich dann die Einrichtung profitiert. Dieser Austausch ist zum Beispiel auch im Rahmen unserer Jahresfachtagung möglich. Seit mehr als 35 Jahren findet diese Art des „Klassentreffens“ mit etwa 200 Alumni hier an unserer Hochschule statt.

Vier Jahrzehnte sind eine lange Zeit. Welche großen Leitthemen haben die Betriebswirtschaft im Gesundheitswesen geprägt, und welche Themen sind aktuell prägend?

Die Errichtung des BIG-Studiengangs wurde notwendig, als sich marktwirtschaftliche Strukturen im Gesundheitswesen etablierten. Vor allem wurden zunächst Krankenhäuser als Unternehmen betrachtet, für die eine spezielle betriebswirtschaftliche Expertise notwendig war. Was die deutschen Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen als Sektor von anderen Branchen unterscheidet, ist ein ungleich höheres Maß an staatlicher Regulierung auf Bundes- und Länderebene. Dieser generelle Orientierungsrahmen prägt in vielfältiger Weise die Strukturen und Prozesse sowie die Finanzierung der Einrichtungen. Sowohl heute als auch zukünftig geht es um die Frage, mit welchen betriebswirtschaftlichen Instrumenten unter den gegebenen gesetzlichen Versorgungsstrukturen und Finanzierungssystemen die Existenz der Einrichtungen gesichert und die Patienten optimal versorgt werden können.

Können Sie einige konkrete Herausforderungen benennen?

Konkret muss man sich unter anderem mit dem Trend der Ambulantisierung auseinandersetzen und auch klären, welche Managementanforderungen sich aus einer sektorenübergreifenden Versorgung ergeben. Dann ist der Fachkräftemangel im Bereich Medizin und Pflege eine große Herausforderung. Ein weiteres großes Thema ist die Digitalisierung. Hier besteht im Gesundheitswesen enormer Aufholbedarf.

70 Prozent der BIG-Studierenden sind Frauen. Spiegeln sich diese Zahlen auch im Berufsfeld wieder?

Generell ist der Frauenanteil in gesundheitsspezifischen Studiengängen höher als in anderen Branchen. Aber das spiegelt sich nicht in den Führungspositionen des Gesundheitswesens wider. Es gibt Studien, die zeigen, dass etwa ein Drittel aller Führungskräfte im Gesundheitswesen mit großen regionalen Unterschieden weiblich ist und davon etwa 15 Prozent im Top-Management präsent sind. Auch von unseren BIG-Absolventinnen nehmen verhältnismäßig wenige in der Praxis eine Führungsposition wahr. Weil wir das erkannt haben, bieten wir den Studierenden eine individuelle Karriereberatung an.

Was würden Sie Ihren Studentinnen, die eine Karriere in der Führung anstreben, gerne mitgeben?

Diejenigen, die diesen Weg einschlagen wollen, möchte ich dazu ermutigen: Machen Sie sich klar, welche Karriereziele Sie erreichen wollen, wofür Sie Ihre knappe Zeit aufwenden wollen und was oder wen Sie dafür brauchen. Lassen Sie sich dabei von anderen Frauen inspirieren, nutzen Sie Netzwerke – für den Erfahrungsaustausch, aber auch, um in der Branche sichtbar zu werden. Die Führung von Krankenhäusern braucht für gute Entscheidungen ein ausgewogenes Team. Ein Team aus qualifizierten Männern und Frauen.

Ihr Lebensweg ist der beste Beweis dafür, dass es möglich ist, Familie und Karriere miteinander zu vereinbaren. Wie gelingt das aus Ihrer Sicht?

Es sind viele Faktoren, die darauf einwirken. Zunächst die persönliche Einstellung zu Familie und Beruf. Aber auch Vorbilder, die motivieren, können eine Rolle spielen. Auch die Organisation von Familie und Partnerschaft sind entscheidend, ebenso die Arbeitsbedingungen in einem Unternehmen, auf die Frauen aber auch Männer treffen. Die Hochschule hat es unter anderem in meinem Fall möglich gemacht, dass ich neben meiner Familie eine Karriere machen konnte und nun den Studiengang führen und weiterentwickeln kann, den ich selber einmal vor vielen Jahren studiert habe.

Link zum Kennste-Video: https://youtu.be/OGRXWl9z4o8

Link zum Studiengang: www.hs-osnabrueck.de/betriebswirtschaft-im-gesundheitswesen

Von: Lena-Lotte Peters