3. CampusKonferenz Landschaftsentwicklung 2016
Landschaftsplanung und Widerstände: kommunikativ planen + Konflikte lösen
In diesem Jahr stand das Thema Kommunikation und Planung im Mittelpunkt der Konferenz, und eine große Zahl von Fachleuten aus der Berufspraxis, LE-Absolventinnen und Absolventen sowie aktuell Studierende nahm teil.
Partizipation, Bürgerwille, Bürgerbeteiligung, Open-Space-Konferenz und, und, und … hören und lesen wir ständig und überall. Dazu kommen noch viele Fragen: Welche Aspekte sind für eine angemessene, gelingende Beteiligung wichtig? Ist Beteiligung etwas notgedrungen zu absolvierendes oder kann sie informativ und bereichernd sein? Warum gelingt Beteiligung manchmal auch nicht? Die CampusKonferenz Landschaftsentwicklung 2016 lieferte ein Kaleidoskop zum Thema Bürgerbeteiligung und Kommunikation mit den drei ‚Spiegelflächen‘ Vorhaben, Konzepte und Beteiligungskultur.
Wir beschäftigen uns mit Landschaft und daher mit dem geteilten Raum. Was kennzeichnet unser Tun? Misstrauen oder Vertrauen? Autorität oder Offenheit? Hinnehmen, Ertragen oder Handeln? Angst oder Hoffnung? Unsere Welt wackelt gerade und damit auch unsere Gewissheiten. Ein gesellschaftlicher Diskurs und Austausch ist unverzichtbar. Bei den Aufgaben der Landschaftsarchitektur in der gesamten Breite des planerischen und gestalterischen Umgangs in Stadt und Land geht es immer um die Entwicklung und Festlegung von Zielen und künftigen Handlungen mit Menschen: mal sind sie aus anderen Fachdisziplinen, mal sind es betroffene, mal interessierte Bürgerinnen und Bürger. Immer wenn wir mit Menschen zusammenarbeiten, benötigen wir eine Haltung, ein Grundverständnis für eine gelingende Zusammenarbeit, aber auch methodisches Wissen. Aus den verschiedenen Vorträgen der CK 2016 werden Aussagen dazu mit einem kurzen Text und einer Grafik dargestellt. Hille Czygan, wissenschaftliche Mitarbeiterin für CAD an der HS Osnabrück, hat alle Vorträge als Graphic Recordings mitgezeichnet. Dieser Ansatz wird in Abb. 3 erläutert. Ein Großteil dieser Arbeiten wird hier gezeigt.
Einige Schlussfolgerungen zur Planungskommunikation und zur Gestaltung von Planungsprozessen beschließen diesen Text.
Im Arbeitsfeld der Landschaftsarchitektur gibt es vielfältige Kommunikationsaufgaben, sowohl in formellen als auch informellen Zusammenhängen. Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal sind Art und Umfang der rechtlichen Vorgaben. Im Kontext von formellen Verfahren wurden die Bauleitplanung und ein komplexes Verkehrsprojekt betrachtet. Dazu stellte Dr. Johanna Schoppengerd, Professorin für Stadtplanung und Planungsrecht an der HS Osnabrück, die Bürgerbeteiligung in der Bauleitplanung vor, mit den existierenden Regelungen und Problemen, siehe Abb. 4, die sie als altbekannte Herausforderungen bezeichnete. Dazu gehört u.a., dass die öffentlichen Bekanntmachungen von der breiten Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden, sich nur ein kleiner Teil der Bürger beteiligt, die Inhalte immer komplexer werden und für Laien schwer verständlich sind sowie die Steuerungs- und Einflussmöglichkeiten auf der B-Plan-Ebene begrenzt sind.
Christoph Gondesen, Landschaftsarchitekt und Berater von TGP Trüper Gondesen Partner in Lübeck stellte die Herausforderungen der umweltplanerischen Aufgaben des Projektes Feste Fehmarnbeltquerung vor, mit zwei Ländern und zwei Planungskulturen, drei Sprachen (deutsch, dänisch und englisch) und deutlichen Unterschieden bei den rechtlichen Grundlagen und methodischen Ansätzen, siehe Abb. 5. Unverzichtbar war nach seiner Aussage, die Unterschiede in vielen Belangen zu verstehen und Begriffe zu definieren, um dann ein gemeinsames, disziplinübergreifendes Planungsverständnis zu entwickeln.
Informelle Beteiligungsverfahren sind inhaltlich und methodisch weitgehend offen, da sie nicht auf einer konkreten gesetzlichen Grundlage basieren. Der Begriff informell wird in der Umgangssprache in der Bedeutung ohne Auftrag, ohne Formalitäten, ohne Vorgaben verwendet. Im Fachkontext sind auch hier sehr wohl Regelungen und Verabredungen notwendig. Sie sind je nach Situation und Anlass gestaltbar. Vorgestellt wurden hierzu zwei Konzepte im Zusammenhang mit Großschutzgebieten in der Rhön und im Hunsrück.
Ulrike Schade, Diplom Geoökologin und Projektkoordinatorin im Biosphärenreservat Rhön, stellte den Weg zum neuen Rahmenkonzept vor, der Ende 2011 startete und das Ziel hat, bis zum Sommer 2017 ein abgestimmtes Ergebnis zu erarbeiten. Als wesentlich benennt sie kooperative Schutz- und Entwicklungsstrategien und einen umfangreichen, gestuften Kommunikationsprozess, vergl. Abb. 6. Um die große Vielfalt an Akteuren und die unterschiedlichen Verwaltungsstrukturen in den drei beteiligten Bundesländern Bayern, Hessen und Thüringen einzubinden, gibt es 10 länderübergreifende thematische Arbeitsgruppen. Wesentlich ist nach ihrer Meinung in den AGs dabei ein Blick nach innen und nach außen: Wie unterscheidet sich das Biosphärenreservat Rhön als Modellregion für nachhaltige Entwicklung von anderen Regionen?
Dr. Harald Egidi, Leiter des Nationalparks Hunsrück-Hochwald, schilderte den partizipativ gestalteten, mehrstufigen Auswahlprozess zur Ausweisung dieses neuen Nationalparks und die notwendigen Rahmenbedingungen. Dazu gehört nach seiner Aussage „nicht gegen den Willen einer Region zu arbeiten“, Ergebnisoffenheit zu sichern, Gespräche auf Augenhöhe zu führen und zu klären, welche Inhalte und Relevanz die einzelnen Schritte haben, siehe hierzu Abb. 7. Wesentlich ist für ihn auch, dass es gelang, in der Region einen Diskussionsprozess zu starten. Die Region wurde im Zusammenhang mit diesem Naturschutzvorhaben aktiv.
Für den dritten Spiegel des Kaleidoskops wurden Aspekte einer Beteiligungskultur betrachtet. Dafür ist unser eigenes Rollenverständnis zu überdenken. Hier setzt Beteiligung für jeden Einzelnen an, und nicht bei der Auswahl der Moderationsmethoden.
Notwendig ist eine Beteiligungskultur im Sinne von pflegen und entwickeln. Dr. Bettina Oppermann, Professorin für Freiraumpolitik und Planungskommunikation an der Universität Hannover, betrachtete, wie Entscheidungen getroffen und legitimiert werden, vergl. Abb.8. Das ist vermeintlich erst eine Frage am Ende von Beteiligungsprozessen, aber die Konzeption eines solchen Verfahrens hängt vor allem von der zu treffenden Entscheidung ab. Sie betrachtete differenziert, nach welchem Modus am Ende Entscheidungen gefällt werden: einfache oder qualifizierte Mehrheit, Konsens oder tolerierter Konsens, Widerstandsstimmen? Das Mehrheitsprinzip ist nach ihrer Aussage ein „falscher Freund“, eben weil es so einfach ist. Unverzichtbar ist für sie eine reflektierte, multiperspektivische Darstellung, damit z.B. in politischen Entscheidungen eine qualifiziert Auseinandersetzung erfolgen kann.
Ein wesentlicher Aspekt unserer Rollenklärung ist, welche Kompetenzen wir den Bürgerinnen und Bürgern zugestehen. Fachkompetenz schlägt Alltagswissen und Ortskenntnisse?
Dr. Susanne Kost, Planungswissenschaftlerin an der Universität Hamburg, thematisierte die Wahrnehmung von Landschaft aus Bewohnersicht. Grundlage für die Landschaftswahrnehmung sind der sozio-kulturelle Kontext sowie die gesellschaftlich vermittelten und die individuellen Werte mit gelernten Bildern. Sie sind nach ihren Untersuchungen schwer zu korrigieren. Für eine Identifikation mit einem Ort oder einem Raum, als eine Voraussetzung für eine Bürgerbeteiligung, sind aktive Bildformungsprozesse notwendig. Emotionale und ästhetische sowie konkrete (Orts-)Beziehungen benötigen eine kleinräumige Aneignung, z.B. in der Freizeit oder im Alltag, siehe hierzu Abb. 9.
Sonja Hörster, Landschaftsarchitektin und Geschäftsführerin des Planungsbüros IPG in Oldenburg, stellte in ihrem Beitrag unter dem Titel Planungsorientierte Partizipation dar, dass Methoden und Haltungen verändert werden müssen, um alte, hemmende Strukturen zu verlassen. Notwendige Leitprinzipen für eine nachhaltigere und lebendigere Welt sind für sie, von Gesprächen und Diskussionen mit allen Beteiligten zu gemeinsam gestalteten Lösungen zu kommen, von ihr als Kokreation bezeichnet, siehe Abb. 10. Daran schließt sich für sie die Phase der Kultivierung, des detaillierten fachlichen Umsetzens an, damit die Ideen realisiert werden können.
Im vierten Block der CampusKonferenz 2016 wurden konkrete Beispiele aus dem Berufsfeld von fünf LE-Gewächsen mit sehr unterschiedlichen Aufgaben und Institutionen vorgestellt:
- Anne Kulozik, Projekt Heim(at)arbeit, Akademie für Landschaftskommunikation Oderaue, zum Thema Landschaftliche Bildung im Oderbruch: Konzepte und Selbstversuche zum Leben auf dem Lande
- Markus Brüning, Bezirksamt Hamburg Altona, zum Thema Umsetzung der WRRL im urbanen Raum – ein partizipativer Planungsprozess zwischen gutem ökologischen Potential und Restriktionen
- Markus Paßlick, Landwirtschaftskammer Niedersachsen Außenstelle Bersenbrück, zum Thema Kommunikation im Feld: Ansätze für eine gelingende Kommunikation von Landwirtschaft und Landschaftsentwicklung
- Sindy Bublitz, Heinz Sielmann Stiftung zum Thema Schnittstelle Naturschutz – Kommunen – Bevölkerung
- Claudia Huesmann, Landschaftsarchitektin im Planungsbüro 3650 freiraum + umwelt in Überlingen, zum Thema Perspektivwechsel Planungsbüro – Behörde - Planungsbüro
Sie sind die bunten Steine des Kaleidoskops. Aus der Fülle dieser Projekte kann hier nur ein Graphic Recording dargestellt werden.
Was können wir mit Blick zurück auf die CK 2016 für die Planungskommunikation und die Gestaltung von Beteiligungsprozessen lernen? Nur einige Stichworte zum Schluss:
- transparent agieren, breit gestreute Einladungen zu allen wichtigen Ereignissen, Weitergabe von relevanten Dokumenten und Informationen
- Ziel der Beteiligung vorab klar benennen: Information, Konsultation oder Kooperation
- Vorgaben, die unverrückbar sind, darstellen; Entscheidungsspielräume benennen
- Klärung des Entscheidungsprozesses und –verfahrens bereits zu Beginn
- frühzeitige Information von Betroffenen und Interessierten z.B. mit Vorträgen, verknüpft mit Möglichkeiten für Rückmeldungen und Fragen, z.B. in Online-Blogs
- online-Präsenz mit relevanten Unterlagen, auch in einer nicht nur für Fachleute verständlichen Fassung
- einen offenen Dialog führen, nicht nur mit den Unterstützern, sondern auch den Widersachern
- Konflikte auch als eine Chance für Erkenntnisse und Bewegung betrachten
- Gesprächsrunden, sogenannte Runde Tische mit ernsthaftem Zuhören, Ermitteln und Dokumentieren von Bedenken, Ängsten, Interessen und Bedürfnissen
- Perspektivenvielfalt sichern
- Verständigung über Begriffe und Definitionen bei unterschiedlichen Planungs- und Fachkulturen sowie Wissensständen
- Grundsatzfragen diskutieren, rechtliche Verpflichtungen darstellen und Handlungsspielräume kommunizieren
- keine Vorwegnahme von Ergebnissen
- Bildformungsprozesse bei den Bewohnerinnen und Bewohnern initiieren: ‚Meine Landschaft …‘
- Möglichkeiten für Diskurse schaffen: landschaftliche Bildung in Schulen, Interviews mit Akteuren vor Ort, Ausstellungen, Spaziergänge und Begehungen
- Termine vor Ort zur richtigen Uhrzeit im kleinen Kreis, vorab Informationen zum geplanten Gesprächsinhalt verschicken
- Fingerspitzengefühl und Wertschätzung, auch für Kritiker und Gegner
- klare Aussagen treffen und Versprechen einhalten.
Die große Vielfalt von Projekten im Aufgabenfeld von Planung erfordert auch bei Beteiligungsaufgaben ein individuelles, situationsbezogenes Vorgehen und Angemessenheit. Welche Akteure sollen und können sich bei all den Verfahren und Projekten beteiligen? Eine Beteiligungskultur, die die genannten Gesichtspunkte gewährleistet, ein Dialoginteresse zeigt und pflegt, kann für neue Projekte Vertrauen schaffen und Interesse wecken. Kein schlechter Einstieg für planerische Projekte und eine gelingende Zusammenarbeit.
Auch wenn viele der genannten Aspekte berücksichtigt werden, besteht die Schwierigkeit, Bürgerinnen und Bürgern zu vermitteln, dass die Ergebnisse aus informellen Beteiligungsverfahren häufig erst durch formelle Instrumente festgelegt werden können. Trotzdem erscheint es sinnvoll, wegen der Entwicklung einer Beteiligungskultur formelle Verfahren durch vorgelagerte informelle Instrumente zu ergänzen und damit vorzubereiten.
Beteiligung ist nicht gleich Beteiligung, sondern ein weites Feld. Ohne kommunikative Kenntnisse und gut gestaltete Beteiligungsprozesse werden die Aufgaben der Landschaftsplanung nicht zu bewältigen sein. Auch das hat die CampusKonferenz 2016 gezeigt.
Verone Stillger