Wie viele Fachkräfte braucht die Altenpflege? Freitag, 30. November 2018

Zum 1. Osnabrücker Pflegdialog trafen sich in der Caprivi-Lounge der Hochschule Osnabrück Expertinnen und Experten der stationären Altenpflege und diskutierten das Für und Wider der Fachkraftquote. Franz Paul (l.), Geschäftsführer der St. Elisabeth-Pflege, sprach sich für ein „Osnabrücker Pflegemodell“ aus, mit dem erprobt werden könne, was in den Pflegeeinrichtungen tatsächlich funktioniere. Zum Dialog geladen hatte Pflegewissenschaftler Prof. Dr. Andreas Büscher (r.) mit der Absicht wissenschaftliche Erkenntnisse und gelebte Praxis zu verbinden.

Erster Osnabrücker Pflegedialog der Hochschule Osnabrück zur Fachkraftquote in der stationären Altenpflege

(Osnabrück, 30. November 2018) Seit mehr als zwanzig Jahren ist die Gewinnung und Bemessung von qualifiziertem Personal ein zentrales Thema in allen Bereichen der Pflege, sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft. Die Diskussion wird stark beeinflusst durch die bundesweite Anforderung zur Einhaltung einer Fachkraftquote von mindestens fünfzig Prozent. Ob diese Fachkraftquote ein geeignetes Instrument für das Personalmanagement von stationären Altenpflegeeinrichtungen ist, diskutierten Expertinnen und Experten mit Teilnehmenden des ersten Osnabrücker Pflegedialogs aktuell in der Caprivi-Lounge der Hochschule Osnabrück.

„Mit dieser Veranstaltung wollen wir in einen Dialog treten mit unterschiedlichen Vertreterinnen und Vertretern der stationären Altenpflege. Indem wir die Wissenschaft hinzuziehen, können wir ganz andere Perspektiven entdecken und kennenlernen und die unterschiedlichen Akteure zusammenbringen“, betonte Prof. Dr. Andreas Büscher, Professor für Pflegewissenschaft an der Hochschule Osnabrück.

Franz Paul, Geschäftsführer der St. Elisabeth-Pflege aus Osnabrück, umriss, aus dem Alltag einer stationären Pflegeinrichtung heraus, wichtige Faktoren für das Personalmanagement: „In der Altenpflege sind für uns Qualität und Kontinuität besonders wichtig. Um das gewährleisten zu können, braucht es klare Regeln. Welche Pflegekraft macht wann was? Wie können wir Therapien unterstützend in den Pflegealltag integrieren, um unser Personal zu entlasten? Welche Pflegekraft, ob Fachkraft oder Hilfskraft, ist für welche Arbeit qualifiziert? Das sind Fragen, mit denen wir uns täglich auseinandersetzen.“ Wichtig sei vor allem eins, anzufangen und auszuprobieren, „Stillstand ist der schlimmste Fehler“. Paul plädierte für ein Osnabrücker Pflegemodell: „Wir müssen herausfinden, was in unseren Einrichtungen funktioniert, unabhängig von der Einführung der Fachkraftquote. In Osnabrück könnten wir ein solches Pilotprojekt starten.“

Auch Dr. Klaus Wingenfeld, Geschäftsführer des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld, betonte, dass neue Modelle für das Personalmanagement von stationären Altenpflegeeinrichtungen notwendig sind. „Wir sind in der Pflege nicht nur mit Personalmangel und demografischem Wandel konfrontiert. Auch Reformen der Pflegegesetze und in der Ausbildung, neue bundeseinheitliche Indikatoren für die Ergebnisqualität der Pflege und externe Qualitätsprüfungen erfordern neue Personalkonzepte“, so Wingenfeld. Er sprach sich für das Modell der „zuständigen Pflegefachkraft“ aus, mit dem eine Pflegekraft vorrangig für eine Gruppe von zehn bis zwölf Pflegebewohnern zuständig sei. Ein Gegenentwurf zur Fachkraftquote sei das nicht, es helfe aber dabei, dem Personalmangel in Pflegeeinrichtungen zu begegnen. Für Pflegeeinrichtungen sind vor allem realisierbare Konzepte nötig und die Beantwortung von Fragen wie, welche Aufgaben sollen Mitarbeitende übernehmen und welche Kompetenzen brauchen sie dafür? Erst dann kann die Diskussion um die Fachkraftquote zielführend sein.“

„Die Vorgabe der Fachkraftquote von mindestens fünfzig Prozent stammt aus der Heimpersonalverordnung von 1993 und war damals der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die Beteiligten einigen konnten, erinnerte Frank Thiel, Heimaufsicht für den Landkreis Osnabrück. Seitdem hätten sich die äußeren Umstände in der Pflege stark verändert, dennoch ermögliche es die neue Heimpersonalverordnung ab Januar kommenden Jahres, Bußgelder bei Nicht-Erfüllen zu verhängen. „Erfahrung damit haben wir allerdings noch keine“, gab Thiel zu bedenken. Er betonte, dass die stationären Pflegeeinrichtungen im Raum Osnabrück durchschnittlich eine Fachkraftquote von zweiundfünfzig Prozent erfüllten, ohne Fachkräfte aus den Bereichen Ergo-, Logo- und Physiotherapie.
Die Zuhörerschaft interessierte vorrangig eine Frage: Wie kann die Umsetzung der vom Bund vorgegebenen Fachkraftquote und der Qualitätsrichtlinien für Pflegeeinrichtungen mit den ganz unterschiedlichen Strukturen und Voraussetzungen in den Bundesländern in Einklang gebracht werden? Pauls Vorstoß für ein Osnabrücker Pflegemodell fand dabei viel Anklang.

Teilnehmerin Swetlana Prange brachte einen weiteren Aspekt in die Diskussion ein. „Ich bin hier, weil ich selbst in der Pflege tätig bin. Die Beiträge waren interessant, ich hätte mir aber auch die Perspektive von jemandem gewünscht, der wirklich in der Pflege arbeitet. Wer Pflege im Alltag erlebt, sieht es anders. Da macht eine zusätzliche Fachkraft, die aufgrund der Fachkraftquote eingestellt wird, durchaus einen Unterschied.“

Die positive Resonanz auf den ersten Osnabrücker Pflegedialog spreche dafür, weitere Dialogveranstaltungen zur Pflege in der Stadt und dem Landkreis Osnabrück durchzuführen, äußerte sich Büscher zufrieden über den gelungenen Auftakt.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Andreas Büscher
Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Professor für Pflegewissenschaft

Telefon: 0451 969-3591
E-Mail: a.buescher@hs-osnabrueck.de

Von: Laura Klünder/ Isabelle Diekmann