Technik für alle? – Aktion der Hochschule Osnabrück zum Diversity Tag Montag, 20. Juni 2016

Ganz ungewohnte Schwierigkeiten hatte der Medieninformatik-Student Michael Eichten mit einem Touchpannel auf dem Hochschulcampus. Anlässlich des Diversity Tages schlüpften Studierende technischer Disziplinen in Alterssimulationsanzüge und erkundeten ihre Umgebung aus der Perspektive von Senioren und Menschen mit Handicaps (Foto: HS Osnabrück / Barbara Schwarze)

Studierende der Hochschule Osnabrück testen in Alterssimulationsanzügen, ob moderne technische Geräte für Ältere und Menschen mit Einschränkungen geeignet sind.

Einmal im Jahr veranstaltet die Charta der Vielfalt, eine Unternehmensinitiative von mehr als 2.500 deutschen Unternehmen und Organisationen unter der Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, den sogenannten Diversity Tag. Die beteiligten Firmen und Institutionen wollen ein Arbeitsumfeld schaffen, das frei von Vorurteilen ist: Unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion, Alter oder Behinderung sollen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Wertschätzung erfahren und ihre Potentiale entfalten können.

Die Hochschule Osnabrück hat sich ebenfalls diesem Ziel verpflichtet: Bereits seit 13 Jahren unterrichtet dort die renommierte Soziologin und Vorstandsvorsitzende des Kompetenzzentrums „Technik-Diversity-Chancengleichheit“, Prof. Barbara Schwarze, Gender- und Diversity-Studien. Studierende der Fakultät Ingenieurwissenschaften und Informatik lernen bei ihr, Bedürfnisse unterschiedlichster Zielgruppen besser zu erkennen. „Ob Informatik, Elektrotechnik oder Maschinenbau – alle Industriebranchen verlangen heute von ihrem Nachwuchs nicht nur hervorragendes technisches Know-how, sondern immer mehr auch genaue Vorstellung darüber, wem all die neuen Entwicklungen dienen sollen“, so die engagierte Professorin, die neben der Lehre auch das Innovationszentrum „Gender, Diversity, Interkulturalität“ (GDI) der Hochschule Osnabrück koordiniert.

Gemeinsam mit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Eva Nolte nahm Prof. Schwarze deshalb den bundesweiten Diversity Tag zum Anlass, unter dem Motto: „Technik für alle – auch für Ältere?“ eine ganz besondere Aktion mit ihren Studierenden durchzuführen. Ausgestattet mit Alterssimulationsanzügen, Brillen Modell „Grauer Star“, Halskrausen und Handschuhen, die das Tasten erschweren, erkundeten die künftigen Ingenieure ihren Campus und testeten dabei diverse technische Geräte: vom Aufzug über Computer bis hin zu Getränke- und Pfandautomaten. „Die Studierenden sind in die Haut von Senioren und Menschen mit Einschränkungen geschlüpft und konnten unmittelbar prüfen, ob die Technik, die uns alle im Alltag umgibt, auch für alle geeignet ist“, berichtet Eva Nolte.

Schnell stellten sich erwartete und auch überraschende Schwierigkeiten heraus. Die Teilnehmer merkten, wie schwer für Sehschwache Anzeigen im Aufzug oder am Getränkeautomaten zu erkennen sind; oder dass sie mit dem Pfandautomaten Probleme bekommen, wenn sie dessen akustische Signale überhören. Ganz zu schweigen von der Schwierigkeit, mit steifen Fingern verschüttete  Münzen aufzuheben. „Im Alterssimulationsanzug wurde ich sehr schwerfällig und hatte ich immer das Bedürfnis, mich hinzusetzen und auch lauter zu sprechen“, beschreibt Michael Eichten seine Empfindungen. Dem angehenden Medieninformatiker, der täglich mehrere Stunden vor dem Rechner verbringt, fiel es plötzlich schwer, Bedienelemente eines Touchpannels zu treffen. Sein Kommilitone Alexander Baumtrog hat während der Aktion gleich überlegt, wie man die Benutzeroberfläche verbessern könnte: „Das erwartet uns später im Berufsalltag, und dafür war der Diversity Tag eine super praktische Erfahrung.“

Ihm stimmt der mexikanische Austauschstudent Alejandro Escobar Benitez zu: „Ich habe viel bei dieser Aktion gelernt. Viele moderne Geräte wie Handy oder Getränkeautomat sind schwer zu handhaben, wenn du ein körperliches Problem hast.“ Auch in seiner Heimat werden Themen wie Vielfalt und Barrierefreiheit immer wichtiger: „Meine Universität hat im letzten Jahr neue, behindertengerechte Gehwege gebaut.“ Menschen mit Handicap und Senioren sind für den künftigen Mechatroniker selbstverständlich „Teil unserer Gesellschaft, und als Ingenieure sollen wir unsere Fachkenntnisse für sie einsetzen.“
 

Von: Lidia Uffmann

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