Krankenhäuser brauchen einen eHealth-Handlungsplan Freitag, 4. Mai 2018

Daten des IT-Reports Gesundheitswesen 2018 der Hochschule Osnabrück belegen niedrige oder stagnierende Digitalisierungsgrade

Ist die IT im Gesundheitswesen und insbesondere in den Krankenhäusern reif genug, um für die Versorgungsprozesse und für den Behandlungserfolg von Nutzen zu sein? Dieser Frage widmet sich der aktuelle IT-Report Gesundheitswesen 2018 der Forschungsgruppe Informatik im Gesundheitswesen an der Hochschule Osnabrück.

„Die Digitalisierung der Gesellschaft führt unweigerlich auch zur Digitalisierung des Gesundheitswesens. Wir fragen nicht mehr nach dem „ob “ und „warum“ sondern nach dem „wie“ und „wo“, nach der Nutzung und dem Nutzen digitaler Anwendungen“, erläutert Prof. Dr. Bernd Lehmann, Vizepräsident für Forschung, Transfer und Nachwuchsförderung.

Elektronische Patientenakte: Anstieg ist abgeflacht, Verlauf stagniert

Der IT-Report liefert dazu Antworten. Unter Leitung von Professorin Dr. Ursula Hübner wurden zum 8. Mal deutsche Krankenhäuser umfassend befragt. Damit liegen Daten in einer einzigartigen Form für Deutschland vor.

Aus der Befragung geht hervor, dass die Verbreitung der elektronischen Patientenakte über die Jahre deutlich zugenommen hat. 2005/2006 stand lediglich 43 Prozent der Krankenhäuser eine elektronische Patientenakte in irgendeiner Form zur Verfügung, aktuell sind es 73 Prozent. Eine Zunahme, die allerdings schon vor vier Jahren beobachtet worden war. „Wir müssen jeweils genau hinsehen“, interpretiert Hübner die Daten. „Was unter einer Patientenakte verstanden wird, ist sehr variabel. Deshalb haben wir jegliche Formen der elektronischen Akten zusammengefasst, auch solche, dir nur in einer Abteilung oder nur teilfunktionsfähig sind.“ Gut sei, dass sich die Häuser mit der Integration der Patientendaten befassten. Enttäuschend hingegen, dass offensichtlich keine Bewegung stattgefunden hat, so die Wissenschaftlerin.

IT-Prozessunterstützung hinkt an den Schnittstellen zum ambulanten Bereich

Zur Bewertung des IT-Reifegrades hat die Forschungsgruppe eine Spitzenkennzahl entwickelt, anhand derer die IT-Unterstützung für die zentralen Prozesse von der Aufnahme bis zur Entlassung bewertet wird. Dabei erreichten die Krankenhäuser mit durchschnittlich 52,4 von maximal 100 Punkten einem mittleren Wert. Aufgeschlüsselt auf die einzelnen Prozesse zeigte sich mit 44,0 ein niedriger mittlerer Wert für die IT-Unterstützung im Aufnahmeprozess. Die höchste mittlere Punktezahl erzielte der OP-Vorbereitungsprozess mit 64,0. „Dies deutet darauf hin, dass Krankenhäuser ihre internen IT-unterstützten Prozesse deutlich besser im Griff haben als solche, die an der Schnittstelle zum ambulanten Bereich liegen“, so Hübner. Die Zahlen aus der Verbreitung von Telemedizin und Telemonitoring spiegeln diese Aussage: 55 Prozent der befragten Krankenhäuser gaben an, beispielsweise eine Zweitmeinung in der Radiologie über Telemedizin einzuholen oder eine elektronische Fallkonferenz abzuhalten, aber nur 15 Prozent boten ihren Patienten eine Fernüberwachung zum Beispiel des Herzschrittmachers an.

Schwachpunkt: Arzneimitteltherapiesicherheit

Ein neuralgischer Punkt der IT-Nutzung ist die Arzneimitteltherapie. Hier stieg der Anteil der Häuser, die Ärzten für die Auswahl geeigneter Medikamententherapien eine elektronische Entscheidungsunterstützung installiert haben, seit 2013 nur geringfügig von 14 auf 15 Prozent. Auch in anderen Bereichen stagnieren die Werte auf niedrigen Niveau, wie bei der elektronischen Dokumentation der Medikamentengabe, die bei 7 Prozent liegt.

Der IT-Reifegrad in Krankenhäusern ist ausbaubar

Geht man von der Spitzenkennzahl der Prozessunterstützung aus und bezieht die Verfügbarkeit der elektronischen Patientenakte mit ein, so zeigt der Report, dass die IT-Reife einen mittleren Wert erreicht und die Prioritäten auf der elektronischen Patientenakte liegen. „Das ist noch nicht die gewünschte Komfortzone“, so die Expertin für Krankenhausinformatik.

Der Digitalisierungsbotschaft muss ein eHealth Handlungsplan folgen

„Die Krankenhäuser warten auf motivierende Signale aus der Politik und eine Chance, gute umfassende Systeme auch bezahlen zu können“, resümiert Hübner. „Niedrige oder stagnierende Zahlen sind kein Zeichen von ignorantem Unwillen, sondern eher von finanziellem Unvermögen. Es reicht nicht, Glasfaserkabel zu legen und abzuwarten. Wir brauchen einen eHealth Handlungsplan, der die Krankenhäuser in eine gute Ausgangsposition bringt.“

Der IT-Report Gesundheitswesen ist ein Resultat des Forschungsschwerpunktes INITIATIVE eHealth an der Hochschule Osnabrück, der durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur über einen Zeitraum von fünf Jahren mit Mitteln aus VW Vorab gefördert wird. Die Herausgabe des Reports wird finanziell durch das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung im Rahmen von eHealth Niedersachsen unterstützt.

Der IT-Report Gesundheitswesen 2018 – Wie reif ist die IT in deutschen Krankenhäusern? ist frei verfügbar unter: www.hs-osnabrueck.de/it-report-gesundheitswesen

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Ursula Hübner

Telefon: 0541 969-2012
E-Mail: u.huebner@hs-osnabrueck.de

Von: Ursula Hübner/ Isabelle Diekmann