Die Digitalisierung verschiebt die politische Macht Dienstag, 12. Dezember 2017

5. Osnabrücker Demokratieforum der Hochschule Osnabrück sieht im digitalen Wandel Risiken für Meinungsbildung, Partizipation und Wohlstand

(Osnabrück, 12. Dezember 2017) Über den Einfluss der fortschreitenden Digitalisierung auf die Demokratie diskutierten auf dem 5. Osnabrücker Demokratieforum namhafte Expertinnen und Experten mit über den Tag verteilt rund 200 Teilnehmenden.

Die Beauftragte für den Datenschutz in Niedersachsen, Barbara Thiel, prognostizierte, dass der Prozess der Digitalisierung noch erheblich an Fahrt gewinnen werde und verdeutlichte, dass der Schutz der Privatsphäre und die Wahrung der Persönlichkeitsrechte geradezu Bedingung für eine freiheitliche Demokratie seien. Denn durch das explosionsartige Wachstum von „Meta-Daten“, die zum Beispiel durch die Nutzung von Smartphones oder Kreditkarten „nebenbei“ entstünden und einen größeren digitalen Fußabdruck hinterließen, als durch den Nutzer direkt erzeugte Daten, erwachse eine sehr konkrete Gefahr der Beeinflussung und Kontrolle.

Oliver Rudolf, Landeswahlleiter in Hamburg, schlüsselte die Vorzüge und Nachteile digitaler Wahlen und Abstimmungen auf. Grundsätzlich gelte, dass Wahlen eine Angelegenheit des gesamten Volkes sind und vor den Augen der Öffentlichkeit stattfinden müssen. Weiter dürfe die Überprüfung der Wahl keine Sachkenntnis voraussetzen, sondern müsse allgemein verständlich sein. Ohne Transparenz und Nachvollziehbarkeit könnten digitale Wahlen deshalb das Vertrauen in ihre Ordnungsmäßigkeit untergraben. Auf der anderen Seite böten elektronische Wahlen die Chance einer höheren Wahlbeteiligung und die Senkung der Kosten, die Rudolf für die diesjährige Bundestagswahl auf etwa 92 Millionen Euro schätzte.

Prof. Dr. Volker Lüdemann, erläuterte das Geschäftsmodell des autonomen Fahrens, mit dem das Sammeln und kommerzielle Verwenden personenbezogener Daten im großen Stile möglich werde. Der Leiter des Niedersächsischen Datenschutzzentrums (NDZ) arbeitete an diesem Beispiel Risiken und Chancen datenbasierter Geschäftsmodelle heraus, die in einer bislang starken deutschen Branche zwangsläufig auch viele Digitalisierungsverlierer provoziere. „Wer die Software für das autonome Fahren liefert, der liefert das Betriebssystem. Welche Möglichkeiten die Monopolisierung des Betriebssystems bietet, ist hinlänglich bekannt“, formulierte der Jurist mit Blick auf Konzerne wie Google oder Facebook. Der Verdrängungswettbewerb gefährde damit nicht nur den Wohlstand, sondern indirekt auch die Demokratie als akzeptiertes politisches System, warnte Lüdemann.

Dr. Kai Gniffke, Chefredakteur von Tagesschau und Tagesthemen, bezeichnete es als Aufgabe seiner Redaktion, mit Qualitätsjournalismus den Rohstoff für die Demokratie zu liefern: Die Voraussetzung für gelingende Partizipation sei nun einmal eine informierte Gesellschaft. In einer komplexer werdenden Welt, beachte Qualitätsjournalismus mehr denn je die strikte Trennung von Meinung und Bericht und stärke erklärende Formate. Dabei müsse jedoch deutlich werden, selber auch nicht im Besitz der alleinigen Wahrheit zu sein.

Organisator Prof. Dr. Hermann Heußner hatte zur Begrüßung darauf verwiesen, dass die Meinungsbildung und freie Meinungsäußerung in Zeiten von Sozialen Medien, Fake News und Shitstorms zunehmend in Bedrängnis gerate.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Hermann Heußner
Telefon: 0541 969-3790
E-Mail: h.heussner@hs-osnabrueck.de

Von: Isabelle Diekmann